Wie Frankfurter Themen nach Berlin kommen
Frankfurt ist eine internationale Stadt – und als solche ein Schmelztiegel Deutschlands und Europas. Das wurde am Freitag einmal mehr klar, als Omid Nouripour (MdB, Bündnis 90/Die Grünen) und Bettina M. Wiesmann (MdB, CDU) unter dem Titel „Für Frankfurt in Berlin - Zwei Bundestagsabgeordnete im Gespräch“ im Haus am Dom diskutierten. Moderator Joachim Valentin, Direktor des Hauses, wollte von beiden wissen, was es konkret heißt, Frankfurter Interessen im Deutschen Bundestag zu vertreten, welche Themen sie derzeit umtreiben und wie mit dem überall erstarkenden Extremismus umgegangen werden soll.
Toleranz ist nie selbstverständlich
Dass Frankfurt international, interkulturell und interreligiös geprägt ist – immerhin 178 Kulturen leben, arbeiten und lernen hier Seite an Seite – ist unbestritten. CDU-Politikerin Wiesmann warnte auf dem Podium jedoch davor, sich im Wissen um die funktionierende Internationalität zurückzulehnen. „Es kann sein, dass die zunehmende Erhitzung der gesellschaftlichen Debatte uns noch nicht so stark erfasst hat, weil hier immer noch viele besonnen sind. Aber es macht mich unruhig, dass es nach dem 7. Oktober Demonstrationen von Palästinensern in Frankfurt gab und bei vielen Menschen das Gefühl aufkam, wir müssten uns vor oder neben unsere jüdischen Mitbürger stellen, um sie zu schützen.“ In Frankfurt gebe es eine Zunahme von Antisemitismus, der schon länger zu spüren war, der aber durch den 7. Oktober nun stark hervorgetreten sei, sagte sie. Die Gesellschaft stehe vor riesigen Herausforderungen, die noch darüber hinausgingen. „Wir müssen bildungsmäßig sehr viel tun, auch mit Blick auf Regeln im Internet. Es geht um Migrationspolitik –wir müssen realistisch bleiben, dass das Maß an Fremdheit, das eine Mehrheitsgesellschaft verkraftet, nicht überstrapaziert werden darf.“
Zwar käme man hier überwiegend gut miteinander klar, aber es gebe doch den Einen oder Anderen, der sich Sorgen mache, wie es mit dem Spracherwerb sei und wie es mit der gelebten Gemeinsamkeit weitergehe: „Wir müssen uns klarmachen, dass Umgangsformen, Toleranz, Respekt und demokratische Verhaltensweisen nie eine Selbstverständlichkeit sind, sondern dass wir immer daran arbeiten müssen“, so Wiesmann. „Das muss auch ein Schwerpunkt in den Schulen sein, bevor ein Haus der Demokratie eröffnen kann.“ Bettina Wiesmann ist Vorsitzende des Bürgervereins Demokratieort Paulskirche, der sich historisch-politischer Bildung verpflichtet fühlt und maßgeblich an der Projektentwicklung zum geplanten Haus der Demokratie nahe der Paulskirche beteiligt ist.
Herkunft ist hier weniger wichtig
Omid Nouripour unterstützte, was Wiesmann zum Thema Antisemitismus sagte. „Wir müssen auf das Alltagsleben und die Kommunen fokussieren und alles dafür tun, damit die globalen Konflikte nicht hier durchschlagen.“ Sehr persönlich erzählte Nouripour von seiner Kindheit im Iran, in der die Schüler täglich als Morgenapell auf dem Schulhof rufen mussten: „Wir werden Israel vernichten!“ Mit 13 kam er nach Deutschland und traf auf eine Lehrerin, die ihm die Augen öffnete. Schon lange ist Nouripour stolzer Frankfurter und sieht die Internationalität seiner Stadt als großes Plus: „Die Wählerinnen und Wähler haben mich und andere nicht gewählt, weil wir einen anderen Teint haben, sondern weil die Herkunft hier weniger wichtig ist als woanders.“ Doch natürlich will auch er vor den internationalen Konflikten, für die Frankfurt eine Bühne bildet, nicht die Augen verschließen. „In den vergangenen vier Wochen gab es zwei Fälle am Hauptbahnhof, bei denen mir ganz anders wurde. Mike Josef ist derjenige, der an vorderster Front dagegen kämpft mit einer Waffenverbotszone, die in der Umsetzung natürlich schwierig ist. Und zwar nicht aufgrund seiner eigenen Herkunftsgeschichte, sondern weil es seine Aufgabe als Oberbürgermeister ist.“
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Zu ihrer Rolle in Berlin sagten beide, sie fühlten sich ihrem Wahlkreis und Frankfurt verpflichtet. „Frankfurt ist ein Handels- und Austauschzentrum in der Mitte Deutschlands, das auf die freiheitliche wirtschaftliche Ordnung, in der wir leben, angewiesen ist, ein Bildungszentrum, ein Verkehrsknotenpunkt, eine der wirtschaftlichen Herzkammern der Republik“, formulierte es Wiesmann. „Wir liefern vieles, aber wir brauchen dafür auch vieles und wir wollen in dieser Stadt gut leben, das heißt, wir wollen, dass die Sicherheit stimmt, dass die Infrastruktur leistungsfähig ist, unsere Bildungsinstitutionen funktionieren und natürlich die Integration zwischen den 178 verschiedenen Nationalitäten.“ Als Finanzzentrum und Standort des wichtigsten deutschen Flughafens habe Frankfurt ganz konkrete Bedürfnisse, die die Stadt von anderen unterscheiden – und für die man sich in Berlin und auch Brüssel einsetzen müsse.
Unterschiedliche Auffassung beim Thema Verkehr
Natürlich gebe es Punkte, bei denen CDU und Grüne unterschiedlicher Auffassung sei, sagte Nouripour – zum Beispiel beim Thema Verkehr. „Ich glaube nicht, dass eine zehnspurige A5 hilft, das sieht die CDU anders.“ Doch es gebe eine ganze Reihe von anderen Dingen, bei denen auch Vertreter:innen unterschiedlicher Parteien zusammenstünden. Zu ihnen gehöre auch das Haus der Demokratie, aber auch bei der Geldwäscheagentur der Europäischen Union, bei der bis zuletzt nicht klar gewesen sei, ob sie nach Frankfurt komme. „Das hat Arbeit gekostet, das haben wir zusammen gemacht, es hat funktioniert und ist für die Stadt gut“, so der Grüne-Abgeordnete. Andere Beispiele sind der Riedbergplatz, dessen Betonplatte sich im Sommer gerne mal auf 70 Grad aufheize – „da gibt es jetzt Gelder vom Bund, damit das repariert werden kann.“ Und beim Ben-Gurion-Ring gebe es derzeit noch einen Grünzug aus den 70ern, der den Erfordernissen des Klimawandels nicht gerecht werde – auch hier wird nachgebessert.
„Es ist keine Schande, bei manchem unterschiedlicher Meinung zu sein, aber gerade in Zeiten wie diesen sollten wir die Punkte nach vorne stellen, die uns zusammenbringen, das ist wichtig.“ Und in einer Sache sind sich beide ohnehin einig: dass es nur eine Fußballmannschaft gibt, für die das Herz schlagen sollte. Entsprechend ist Wiesmann Mitglied im von Nouripour gegründeten Eintracht-Fanclub im Bundestag.
Hier kann das ganze Gespräch im Video angesehen werden:
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