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„Hart in der Mitte der Gesellschaft“

Verleihung der Bartholomäusplakette beim Stadtkirchenfest
„Hart in der Mitte der Gesellschaft“
„Hart in der Mitte der Gesellschaft“
Die Reliquie des Heiligen Bartholomäus wird vor dem Altar aufgestellt. © A. Zegelman / Bistum Limburg

Segne uns mit deinem Mut zum Aufbruch

Predigt zum Bartholomäusfest von Marianne Brandt, Vorsitzende der Stadtversammlung Frankfurter Katholikinnen und Katholiken, und Stadtdekan Johannes zu Eltz

Marianne Brandt: Von Begegnungen, die unter die Haut gehen, und vom Aufbruch des Natanael ist im heutigen Evangelium die Rede.

Direkt vor dieser Stelle berichtet der Evangelist Johannes von den Berufungen der ersten Jünger Jesu: Sie hören, sehen und folgen Jesus. Fertig. Bei der Berufung des Natanael wird dieses Muster durchbrochen. Philippus‘ Fingerzeig folgt Natanael zunächst nicht. Er zweifelt: Kann denn aus Nazareth etwas Gutes kommen? Was bewegt ihn, den Kenner der Schrift, der seinen Platz unter den großen, schützenden Blättern des Feigenbaums wählte, schließlich doch, diese Sicherheit und seine Position aufzugeben, um aufzubrechen?

Erstens: Be-Gegnung. In diesem Wort steckt das, was notwendig ist, um aus einem beiläufigen, belanglosen Treffen mehr zu machen: Ein Gegenüber. Gegenseitiges Sehen, Hören und Interesse sind Voraussetzungen, um sich zu erkennen und miteinander verbunden zu wissen. Wir nehmen einander wahr, gehen aufeinander zu und gelangen zu inniger Begegnung.
Zu dieser Erfahrung lädt Philippus Natanael ein: Komm und sieh. Überzeug dich selbst.

Natanael sei ein „echter Israelit“ und „ohne Falschheit“, so wendet sich Jesus ihm zu. Natanael wird angesehen und erkannt.

Zur Begegnung kommt ein Zweites hinzu. Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem weiten Meer, so heißt es frei nach Saint-Exupéry. Diese Sehnsucht ist der Impuls für den Aufbruch. Natanael ist auf der Suche und sehnt sich nach einer Gottesbeziehung. Der echte Israelit, der sich mit Gott heftig auseinandersetzt, möchte tiefer in die Gottesbeziehung hinein, vom Studium der Schrift zum Leben.

Stadtdekan zu Eltz: Natanael Bar-Tolmai. Sohn des Furchenziehers. Unser Bartholomäus ist ein Bauernsohn, ein Mann für jede Jahreszeit, vertraut mit den Gesetzen des Wachstums, an schwere Arbeit gewöhnt. Er hat sich dann entwickelt, vielleicht gegen Widerstände, hat sich das Reich des Geistes erschlossen, ist schriftkundig geworden. Aber die Prägung in jungen Jahren, der tiefe Eindruck des ländlichen Lebens, die wird man nicht einfach los. Wenn für Bauern eines klar ist, dann das: Wie man sät, so erntet man. Von nichts kommt nichts. Ich stelle mir vor, Natanael ist mit dieser harten Lehre von zuhause bei seiner Suche nach Gott ein gutes Stück weit gekommen. Energisch und tüchtig, klarsichtig und skeptisch. Aber irgendwann merkt er: es geht nicht weiter. Gott ist kein Preis für Fleiß. Man kann ihn sich nicht verdienen. Er gibt sich aus Gnaden. Das Erkanntwerden, das leuchtende Ansehen, die Wertschätzung, mit der Jesus den Natanael mitten ins Herz trifft, das gibt es alles gratis. Und nicht nur einmal, sondern als tägliches Brot für immer. Wenn ich das glauben kann, dann bricht Angst weg, dann wird etwas frei in mir und ich kann mich auf Wandlung einlassen.
Marianne Brandt: Jesus prophezeit Natanael, dass er den Himmel offen sehen werde und Engel Gottes auf- und niedersteigen auf den Sohn des Menschen. Von einer Verbindung zwischen Himmel und Erde hören wir. Im Hinblick darauf reicht es nicht, sich in der Bequemlichkeit der Gewissheiten, der Gewöhnung und des Alltags - oder unter dem Feigenbaum – einzurichten. Die Nächsten- und die Gottesliebe führen zur Himmel und Erde verbindende Leiter. Gleichzeitig im Dienst der Menschen - mitten in der Welt – und offen für Gottes lebendige Gegenwart. Diese Bewegung, dieses Balancieren erfordern immer wieder neues Sehen und Anfangen. Wir haben uns auf Jesus eingelassen. Mit ihm auf dem Weg zu sein, der viele Ansichten und Selbstverständlichkeiten gegen den Strich bürstet, heißt im ständigen Aufbruch zu sein.

Natanael und Madeleine Delbrel verbindet diese Sehnsucht und der Aufbruch. „Wir sind zu jedem Aufbruch bereit“, sagt Madeleine Delbrel.

Hier ihr Steckbrief.
Ihr familiärer Background: wenig religiös
In ihrer Jugend: erklärte Atheistin
Immer die Sinnfrage: Philospohiestudium
Nach einer persönlichen Krise begegnet sie Christen. Sie beschließt zu beten und begegnet Gott.
Studium der Sozialarbeit: Für die Menschen in einer kommunistisch regierten Vorstadt von Paris.
Madeleine Delbrel empfiehlt, sich jeden Tag neu „Ohne Bescheidwissen“, ohne „innere Landkarte“ einzulassen.

Das ist auch, wie wir der Stadt und Gesellschaft wirken können: Neben unserem sozialen und karitativen Engagement als Christen in Frankfurt weist unser Handeln über uns hinaus auf die Himmelsleiter. Wir können in einer säkularer werdenden Welt den „unbekannten Geschmack Gottes“ vermitteln, „als Fleisch gewordenes Scharnier“ zwischen Himmel und Erde.„Wir sind zu jedem Aufbruch bereit“. Eine mit allen ihren Gliedern lebendige Kirche muss immer wieder neu aufbrechen. Ecclesia semper reformanda est.

Die katholische Kirche in Deutschland steckt in einer Krise. Der Missbrauch hat die Kirche und viele Glaubende tief erschüttert. Es ist kaum zu glauben, dass diese Institution, die für die Begegnung mit Gott steht, Heil verspricht, Menschen so zusetzen und zerstören kann. Als Folge davon verlassen Viele die Kirche und weite Teile der Gesellschaft wenden sich ab.

Können wir die Kirche kurieren? Ist der mit dem Synodalen Weg eingeschlagene Pfad aus der Glaubwürdigkeitskrise der richtige? Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen und öffentliche Positionierungen und leider auch Verletzungen. Im Sinn der Kirche wünsche ich mir, was wir eben als Beschreibung der Begegnung fanden, das Hören, das Sehen, das Zugewandtsein der Teilnehmenden.

Der Synodale Weg ist ein Aufbruch, der aus vielen weiteren Aufbrüchen in den Foren besteht. Es kommen Hirten, Lehrende, Laien zusammen und suchen den gemeinsamen Weg. Sie benennen, was ist. Sie machen Vorschläge, die vor Ort umsetzbar sind und solche, die weltweit besprochen werden. Vom guten Geist von Frankfurt war die Rede.
Der Synodale Weg geht am 08. September in Frankfurt weiter. Ich wünsche, dass die Teilnehmer des Synodalen Wegs, dass wir in Frankfurt, Jeder und Jede von uns sagen kann: „Wir sind zu jedem Aufbruch bereit“.

Stadtdekan zu Eltz: Ja, das wünsche ich mir. Auch wenn ich das nicht so leichterdings sagen kann. Mit den Jahren kommt so vieles zusammen, was an mir hängt, und woran ich hänge. Die Wohnung, die Stellung, die Meinung, die Beziehung, die Erfahrung, das Ansehen. Die Skepsis, wenn man schon viele Prozesse und Projekte und Pläne und Initiativen gesehen hat, und sich dann fragt: „Ob´s diesmal klappt? Und wenn ja: Ob´s dann besser wird?“ Das ist Schwerkraft, und die hemmt den Schritt und trübt den Sinn. Da kann ich nur sagen: Natanael, Sohn des Furchenziehers, Du weißt, wie sich das anfühlt, wenn man Acker an den Schuhen kleben hat und Argwohn im Herzen. Bleib uns in Frankfurt zugetan. Segne uns mit Deinem Mut zum Aufbruch. Und bitte den Herrn, dass er uns - dass ER uns - zum Ziel führt. Amen.

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