„Keinen Dialog zu haben ist gefährlich“
Das Domgespräch im Video
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Bei Fragen der Ökumene geht es häufig um Politik – das wurde beim Domgespräch deutlich, das traditionell am Nachmittag vor dem Karlsamt im Haus am Dom stattfindet. Im Gespräch mit Prof. Joachim Valentin, Direktor des Hauses am Dom, war diesmal Dr. Zbignevs Stankevics, Erzbischof von Riga und Metropolit aller lettischen Diözesen. In der Diözese leben russische, orthodoxe und lettische Katholiken gemeinsam, dazu viele Lutheraner, zahlreiche Familien sind interkonfessionell. Der Alltag ist geprägt von Unterschieden, dies es zu überwinden gilt, schilderte der Bischof, der später am Abend das Pontifikalamt im Bartholomäusdom leitete.
Deshalb begleitet ihn das Bemühen um eine lebendige und gute Ökumene ständig. So wählte er, um ein Zeichen zu setzen, als Ort für seine Bischofsweihe 2010 die Lutherische Domkirche in Riga. „Natürlich war da von meiner Seite auch ein bisschen Provokation dabei, doch ich konnte es gut damit begründen, dass unsere Kathedrale zu klein, die Domkirche aber groß ist“, so Stankevics. Und hilfreich war es auch, dass er mit dem Lutherischen Bischof gut befreundet ist. Vor drei Jahren weihte er dort auch seinen Weihbischof. „Ich versuche, die ökumenischen Beziehungen in Lettland zu optimieren“, so der Erzbischof.
Der Ökumene viel zu verdanken
Dabei kommt ihm zugute, dass er sich mit komplexen Systemen auskennt. Denn bevor er sich für den geistlichen Weg entschied und Theologie studierte, arbeitete er zwölf Jahre lang als Ingenieur in einer Werft. „Gute Voraussetzung fürs Bischofsamt“ beschied ihm deshalb Prof. Joachim Valentin im Gespräch. Das konnte Stankevics nur bestätigen: „Im Ingenieursstudium war meine Lieblingsdisziplin die Optimierung von komplizierten Systemen. Jetzt habe ich eins der kompliziertesten System der Welt zu optimieren – die Diözese von Riga.“
In großen Teilen verdankt er es der Ökumene, dass er zum Glauben fand: „Als Teenager war ich zehn Jahre lang nicht gläubig, doch als ich 25 war, kam ich in Kontakt mit einer ökumenisch-christliche Gruppe aus dem Untergrund, dadurch habe ich zurück zu Christus gefunden. Seitdem ist die Ökumene in meinem Herz.“
Das hilft auch über „delikate“ Situationen hinweg, wie die Frage, wem die Heilige Petrikirche in Riga, die in Kriegszeiten zerstört und unter sowjetischer Führung wieder aufgebaut wurde, gehören soll. Die Kirche war Schauplatz der Reformation in Lettland, ist also – in der Erinnerung – ein Ort der Spaltung. Zbignevs Stankevics wünscht sich, dass sie künftig ein Ort der Versöhnung und Heilung wird – und dass Katholiken und Lutheraner sie gleichermaßen nutzen.
Es gibt eine Mauer
Während die Ökumene also mit viel Einsatz funktioniert, ist das Zusammenleben von Mehrheit und Minderheiten auf politischer Ebene eine Herausforderung: „Ein Viertel der Menschen in Lettland sind Russen, 63 Prozent Letten. Dazu kommen weitere Minderheiten.“ Es gäbe eine von der Politik geschaffene „Mauer“ zwischen Russen und Letten im Land, die nicht nur überwunden, sondern zerstört werden müsse. Diese Aufgabe sei für ihn als Bischof besonders wichtig, weshalb er gute Kontakte zu russischen Journalisten in Lettland unterhalte und regelmäßig auf russischsprachigen Radiostationen zum Interview eingeladen sei: „Ich versuche, die Versöhnung voranzubringen, das ist wichtig. Denn keinen Dialog zu haben ist sehr gefährlich und kann zum Krieg führen.“
Das sehe man aktuell in der Ukraine, sagte Bischof Stankevics, Jahrgang 1955, der in der Sowjetunion aufgewachsen ist und erst mit 35 ins Priesterseminar ging: „Heute haben wir große Herausforderungen wie die Sicherung der europäischen Einheit. Nur, wenn die EU ihre innere Einheit bewahrt, dann wird sie auch den Frieden an Europas Grenzen bewahren können.“ In Lettland empfinde man die Lage als gefährlich: „Wir denken, wenn Putin die Ukraine angreift, sind wir baltischen Länder und Polen die nächsten.“ Glücklicherweise habe Lettland als Mitglied in Nato und EU eine größere Sicherheit als die Ukraine.
Der Besuch des lettischen Erzbischofs war bereits für das vergangen Jahr geplant, musste aber aus Pandemiegründen verschoben werden. In diesem Jahr klappte es nun, doch leider musste das Gespräch aufgrund eines Feueralarms im Haus am Dom etwas früher abgebrochen werden als geplant.
Das ganze Gespräch des Bischofs mit Prof. Joachim Valentin ist oben in diesem Artikel sowie auf dem YouTube-Kanal des Hauses am Dom zu finden. Außerdem gibt es einen Podcast zum Domgespräch, der unten oder auf Spotify, Amazon Music, Deezer und iTunes ("Haus am Dom") angehört werden kann.
Auch das anschließende Karlsamt, das Zbignevs Stankevics im Dom feierte, wurde gestreamt und kann auf dem YouTube-Kanal der Katholischen Stadtkirche angeschaut werden. Den Artikel zum Karlsamt ("Den schlafenden Riesen wecken") finden Sie auf der Webseite der Katholischen Stadtkirche Frankfurt.
Podcast zum Domgespräch
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