Weltsynode / "Insgesamt ist der Prozess sehr unübersichtlich"
Seit dem laufenden Halbjahr ist Dr. Holger Dörnemann in der Katholischen Akademie Studienleiter im Referat Anthropologie. Sehr viel länger, seit zehn Jahren, beschäftigt er sich mit dem Themengebiet Synodalität und bloggt auch darüber. In einer vierteiligen Gesprächsreihe zur Weltsynode hat er im Gespräch mit Gästen dazu beigetragen, komplizierte Zusammenhänge zu beleuchten - nüchtern, aber mit Leidenschaft, wie er selbst sagt. Im Interview erklärt Dörnemann die Hintergründe.
Herr Dörnemann, heute Abend endet Ihre vierteilige Zoom-Gesprächsserie. Wie hat sich die Stimmungskurve seit dem ersten Termin Anfang Oktober verändert – von Hoffnung zu Ernüchterung?
Ja, das war rückblickend schon eine XXL-Synode mit ihrem Beginn im Jahr 2021, Befragungen auf nationaler Ebene, Treffen auf kontinentaler und mit den doppelten Weltsynoden im vergangenen und diesem Jahr. So ziemlich alle Erwartungen im Blick auf viele Heiße Eisen Themen sind geweckt worden und viele von denen sind gerade Anfang dieses Jahres noch einmal in speziellen Arbeitsgruppen ausgelagert worden, dass dies auch einige Ernüchterung ausgelöst hat. Aber aus meiner Sicht erleben wir gerade, was die Erfurter Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens diese Woche in einer der Pressekonferenzen in Rom als ein „Drücken der Reset-Taste“ des Systems Katholische Kirche beschrieben hat: Das ganze System wird gerade rekonfiguriert. In diesem Sprachbild gesprochen, bleiben die Programme und Programme-Files zunächst einmal unverändert, aber wenn das System nach dem Drücken der Reset-Taste – und das ist die Annahme des über drei Jahre erarbeiteten Abschlussdokuments –, erst einmal wieder hochgefahren wird, werden auch so manche Themen, die derzeit wie im Remote-Modus ruhen, neu angegangen werden können. Denn das, was beschlossen wird ist ja eine Architekturverschiebung, wie ich das mit einer anderen Metapher im Rahmen der Veranstaltungsreihe benannt habe, dass die katholische Kirche grundsätzlich dezentralisiert wird, angefangen bei einer neuen Positionsbestimmung des päpstlichen Primats, über die Neubestimmung der Aufgaben der römischen Kurie und dann vor allem die Verlagerung einer umrissenen Lehrautorität auf die Ebene der Teil- und Ortskirchen, die ihrerseits synodaler umgestaltet werden: Wir erleben gerade die Umsetzung der von von Papst Franziskus im ersten Jahr seines Pontifikats ausgerufenen „heilsamen Dezentralisierung“, die Zuständigkeit für viele Themen – wie z.B. die Fragen des Umgangs mit Polygamie auf dem afrikanischen Kontinent oder mit LSBTIQ-Themen in unserem westeuropäischen Kulturkreis – auf die Ebene der Teil- und Ortskirchen zurückverweist. Das wird eine ganz neue Bewegung auslösen bzw. auch so viele Themen, die bei uns im Rahmen des Synodalen Wegs der Kirche in Deutschland angegangen wurden, neu beleben.
INFO
Noch kann man sich für heute Abend, 25. Oktober, anmelden. Die Zoom-Veranstaltung beginnt um 18.30 Uhr, Anmeldung: h.doernemann@ bistumlimburg .de. Die Teilnahme ist frei, nach der Anmeldung wird ein Zugangslink verschickt.
Viele kritisieren, dass oft viel zu viel geredet und zu wenig beschlossen wird – warum braucht es Ihrer Ansicht nach trotzdem Gesprächsformate wie dieses?
Insgesamt ist der Prozess sehr unübersichtlich, wenn man ihn nicht kontinuierlich verfolgt und so wirklich tiefer eintaucht. Und weil ich diese Perspektive – ursprünglich im Rahmen eines sogenannten „Leuchtturmprojektes“ in Verantwortung für den Bereich der Ehe- und Familienseelsorge, später dann ergänzt um die Katechese und Glaubenskommunikation im Erzbistum Köln – bereits seit zehn Jahren einnehme, habe ich das Entstehen und die Entwicklung des Themas „Synodalität“ über die Jahre in einem Internet-Blog www.ogy.de/synod24 gewissermaßen fortgeschrieben. In neuer Aufgabe im Bistum Limburg habe ich mir für das Finale des Synodalen Prozesses gedacht, dass der Internet-Blog ja auch ein gutes Skript ist, es mit einem Live-Format der Katholischen Akademie zu verbinden, das Interessierten die Möglichkeit gibt, tiefer einzutauchen und auch Fragen zu stellen. Spontane Zuschaltungen von römischen Gästen – ohne dass ich dies im Voraus schon alles fix geplant hatte – gehörten auch zu diesem Live-Format.
Sie haben es gerade angesprochen, Sie hatten immer wieder namhafte Gäste bei Ihren Zooms dabei. So auch heute Abend, da hat sich die Vorsitzende des Netzwerks Diakonat der Frau, Dr. Jutta Mader-Schömer, angekündigt, die selbst auch in Rom dabei war. Warum sind direkte Gespräche mit Menschen, die unmittelbar dabei waren, fürs Verstehen des Synodenprozesses so wichtig?
Obwohl ich auch selbst öfter in Rom bin und über einen Lehrauftrag an der Gregoriana auch in gewisser Weise gewohnt bin, eine römische Perspektive einzunehmen, ist es schon ein bisschen vermessen, ein Geschehen gewissermaßen von Deutschland aus zu verfolgen, das ja eigentlich nur Teilnehmende vor Ort richtig beurteilen können. Aber die Möglichkeit die Pressekonferenzen live zu verfolgen wie viele der öffentlichen Redebeiträge aus der Synodenaula – und insbesondere auch die wirklich großartigen Retreat-Impulse, die pastoral-theologischen Werkstätten und Dialog-Foren – und mit einem Grundverständnis der verschiedenen Synodensprachen, ließ und lässt mich das alles auch die Zusammenhänge verstehen und ebenso nüchtern darüber berichten. Aber das mit Leidenschaft. Und genau diese Leidenschaft bringen ja auch meine direkt beteiligten Gäste auf ihre Art und Weise ein. Frau Dr. Mader-Schömer wird von ihren Erfahrungen im Rahmen eines Treffens von Frauen aus vier Kontinenten, die eine Berufung für einen kirchlichen Dienst und ein geweihtes sakramentales Amt spüren, mit Synodenteilnehmenden und Bischöfen berichten. Und dann geht es auch darum - das ist ja auch der Sinn des Live-Formats mit Gästen, die auch aus Deutschland kommen – zu fragen, was das für uns vor Ort, für das Kirchesein in Deutschland bedeutet. Im Blick auf den Diakonat der Frau sind hier noch viele Fragen offen.
Kann man sich für heute Abend noch anmelden?
Bis zum Nachmittag. Alle nachträglich Interessierten können alles oder zumindest das meiste auch auf der genannten Internet-Seite des Blogs nachlesen, der ja bis Sonntag fortgeschrieben wird. Dann ist aber Schluss! Mit dem „Reset“ und der erwarteten Beschlussfassung zur Neukonfiguration der Katholischen Kirche ist der 10-Jahres-Blog und auch ein zweiter Teil einer Printfassung des Synodentagebuchs zu Ende. Im Blick auf Beides sage ich auch etwas erschöpft: Gott sei Dank!