„Es gab schon erfreulichere Phasen in der Geschichte der Ökumene“
Im Bistum Magdeburg geht Ökumene über das hinaus, was andernorts darunter verstanden wird. „Da ist nicht mehr alles klar in Reservate aufgeteilt, alles durchmischt sich“, sagte Dr. Gerhard Feige, Bischof von Magdeburg und Hauptzelebrant des diesjährigen Karlsamts, beim Domgespräch. Das Gespräch findet seit über zehn Jahren traditionell unmittelbar vor dem Pontifikalamt im Haus am Dom statt und gibt die Möglichkeit, die Positionen des Gast-Bischof über die Predigt hinaus kennenzulernen. Dass zum Karlsamt stets ein Gast aus einem anderen Bistum, häufig sogar einem anderen Land eingeladen werde, symbolisiere die Einheit Europas, für die Karl der Große stehe, erklärte Prof. Joachim Valentin, Leiter der Katholischen Akademie und des Hauses am Dom.
Nun kam mit Bischof Feige ein ausgewiesener Experte der Ökumene. Die sei für den Bischof ja praktisch eine Art „Hauptberuf“, sagte Prof. Valentin und spielte damit auf Feiges Amt als Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz an. Valentin wollte von seinem Gast wissen, was ihn ökumenisch derzeit umtreibe, zum Beispiel mit Hinblick auf ein aktuelles Papier des Ökumenischen Arbeitskreises zur gemeinsamen Eucharistie („Gemeinsam am Tisch des Herrn“). Bischof Feige räumte ein: „Es gab schon erfreulichere Phasen.“ Manches Problem führe zu Stagnation, dann sei es wichtig, einen langen Atem zu haben und nicht aufzugeben. Gleichwohl sei in Deutschland das katholische und evangelische Verhältnis ausgeprägter als anderswo.
„Wird als schmerzhaft wahrgenommen“
Daraus folge, dass es viele gemischt-konfessionelle Ehen und Partnerschaften gebe, in denen sich die Frage einer gemeinsamen Eucharistie stelle. Dass diese nicht angeboten werde, würde als schmerzhaft wahrgenommen. Die angesprochene Studie habe neue Möglichkeiten und Wege aufgezeigt, müsse aber nun auch noch weiter besprochen werden. „Es ist nicht alles klar. Es hat sich ja auch gezeigt, dass Rom das kritisch sieht. Das müssen wir bedenken, gut überlegen – und hoffentlich auf diesem Weg weiter vorankommen“, mahnte Feige.
Die pastorale Realität, wie Prof. Valentin es ausdrückte, zeigt: In Magdeburg wird, ebenso wie in Frankfurt, längst gemeinsam gearbeitet und gelebt. „Wir sind schon lange zusammengewachsen, so dass Ökumene schon seit Jahrzehnten kein Fremdwort mehr für uns ist“, so Bischof Feige. In Magdeburg ist die Ökumene historisch gewachsen, auch aus Notwendigkeit heraus: „In unserem Bistum gibt es etwa 3 Prozent Katholiken und 15 Prozent evangelische Christen. Orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Christen sind nicht so stark vertreten, so dass man sagen kann: Über 80 Prozent der Bevölkerung gehören keiner Kirche an und keiner anderen Religion.“ Katholische und evangelische Kirche in der Minderheit - eine enorme Herausforderung. „Da muss man wirklich suchen, welche Aufgabe, Rolle und Sendung Kirche in solch einer Gegend hat“, so Feige.
Katholisch, evangelisch oder ganz ohne Gott?
Und das bedeutet manchmal auch ganz einfach, Synergien zu nutzen: „Wegen Corona ging das 2020 nicht, aber in den letzten Jahren haben wir die große Fronleichnamsfeier der katholischen Gemeinden im evangelischen Dom gefeiert. Und ich kann noch ein extremes Beispiel nennen: Ich hatte mal eine Firmung in der evangelischen Stiftskirche in Gernrode im Vorharz.“ Drumherum alle evangelisch, die Gemeinde gemischt oder gleich ganz religionslos: „Das ist unsere Situation, die wir erleben. Da ist nicht mehr alles klar in Reservate aufgeteilt.“ Dies zeige sich auch bei den Eheschließungen: Nur noch die wenigsten Paare, die sich katholisch trauen ließen, seien katholisch-katholisch, die meisten seien katholisch-evangelisch und auch sehr viele katholisch-konfessionslos. In dieser Lebensrealität komme es natürlich ganz entscheidend darauf an, wie man zueinander stünde, so der Bischof. „Wir Katholiken bleiben nicht mehr unter uns, sondern suchen Sympathisanten, die die gleichen Ideale und Ziele haben, mit denen wir in der Gesellschaft etwas bewirken können.“ Das betrifft auch die inner-kirchlichen Einrichtungen: „Wir haben unter dem Dach der Caritas gut 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und die wenigsten sind katholisch.“
Hinhalten wie einen warmen Mantel
Doch wie umgehen mit dieser Minderheitensituation? Kirche dürfe sich auf keinen Fall aufdrängen und „penetrant mit irgendwelchen Losungen kommen, sondern muss mit den Menschen ins Gespräch gehen und auch zuhören, wie sie leben und denken. Unser Ansatz ist es, diakonisch zu sein, also ihnen beim Leben zu helfen“, sagt Feige. Das kann zum Beispiel auch über nicht-religiöse Lebenswendefeiern stattfinden, bei denen am Rande auch ein Segen gesprochen wird. Hauptsache, für die Menschen da sein – „und ihnen das Evangelium anbieten und hinhalten wie einen warmen Mantel.“
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