Klima-Katastrophe - „Es bleibt nicht mehr viel Zeit!“
„Die Tatsache, dass mein individuelles Verhalten nicht Grund für die Klimakrise ist, kann keine Entschuldigung dafür sein, mich wie ein Arschloch zu verhalten.“ Das sagte Klima-Aktivist Konstantin Nimmerfroh, Vertreter von „Fridays for future“ Frankfurt, beim Tag der Bildung im Rahmen des Kreuzfestes auf dem Podium im Kolpinghaus. Dort diskutierte er mit Klimaforscher Dr. Georg Feulner, Religionspädagogin Prof. Dr. Claudia Gärtner und Schulleiter Jens Henninger. Dabei wurde klar, dass Nimmerfroh eine klimaneutrale Lebensweise keineswegs durch die rosarote Brille sieht. „Ich bin Bahnfahrer, und ich fluche jeden zweiten Tag über den öffentlichen Nahverkehr - mindestens“, so der 22-Jährige. Der Zustand der „Öffis“ sei eine Zumutung, das Autofahren dagegen schon sehr verlockend. „Ich kann verstehen, dass Menschen sich fragen, was es bringt, wenn sie das Auto stehen lassen, während riesige Ölkonzerne weitermachen wie bisher. Die Diskrepanz zwischen großem Problem und kleinen persönlichen Maßnahmen ist gefühlt riesig.“ Dieses Dilemma spürt auch Jens Henninger, Schulleiter der Bischof-Neumann-Schule in Königstein: „Bei allem, was wir bereits tun, ist mir immer schmerzlich bewusst, dass es wahrscheinlich nicht genügt.“
Der Tag der Bildung, zu dem das Dezernat Schule und Bildung im Bistum Limburg im Rahmen des Kreuzfestes eingeladen hatte, war laut Dezernent Ralf Stammberger „ein kleines Experiment“: Früher gab es einen Tag der Religionspädagogik, aber nun habe man sich entschieden, den vielen unterschiedlichen Facetten von Bildung eine gemeinsame Bühne zu geben. Mit dabei waren deshalb neben zahlreichen Religionslehrerinnen und –lehrern auch Gäste aus der Medien- und Kulturarbeit sowie die Katholische Akademie Rabanus Maurus, deren Direktor die Podiumsdiskussion moderierte.
„Erneuere das Angesicht der Erde - Auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Ökologie“ lautete der Titel des Tages, an dessen Vormittag es Vorträge und Diskussion gab, denen nachmittägliche Workshops folgten, um die Themen zu vertiefen. „Die Frage, die wir in den Mittelpunkt stellen wollen, ist, welcher spezifische Auftrag sich aus unserer Identität als Christinnen und Christen ergibt“, sagte Stammberger.
Ein mächtiger Antrieb
Über genau diesen Auftrag sprach Prof. Dr. Claudia Gärtner, Religionspädagogin an der TU Dortmund, in ihrem Vortrag. Sie sieht Christinnen und Christen im Vorteil bei der Klima-Rettung, denn der Glaube an eine andere Welt, an einen neuen Himmel und eine neue Erde könne ein mächtiger Antrieb sein, das Klima zu retten, erklärte sie. Auch das dem Christentum eigene Mitgefühl könne hilfreich sein. Und schließlich sei da noch der große Bonus der Gemeinschaft: „Wir sind zwei Milliarden“, betonte sie in ihrem Vortrag. „Wenn diese zwei Milliarden so handeln würden, wie es der christlichen Botschaft entspricht, hätten wir kein Klima-Problem nicht mehr.“ Sie sprach sich dafür aus, Gruppen wie „Fridays for future“ kirchliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel Räume, aber auch Schulseelsorge, Fortbildungsmöglichkeiten und anderes.
Die religionspädagogische Bildung spiele eine große Rolle dabei, sagte Prof. Gärtner, und definierte die „3P“, die in ihren Augen wichtig sind: „Religionspädagogik darf politisch sein, denn wir unterrichten ein bekenntnisorientiertes Fach, sie muss partizipatorisch sein, also ermächtigen, frei zu sein und Verantwortung zu übernehmen, und sie muss praktisch sein, also erfahrungsorientiertes spirituelles Lernen ermöglichen, das für Krisenzeiten resilient macht.“ Alles gute Gründe, um als Religionslehrerin und –lehrer klar Stellung zu beziehen.
„Deprimierender Vortrag“
Eine etwas undankbare Aufgabe hatte Klimaforscher Dr. Georg Feulner, der die Gäste mit bitteren Fakten „deprimierte“. Der habilitierte Physiker, der an der Universität Potsdam lehrt, unterstrich mehrfach, wie dramatisch die Lage sei. Die Globale Erwärmung liege jetzt schon bei etwa 1,1 Grad Celsius und werde weiter massiv steigen, wenn nicht sofort Gegenmaßnahmen ergriffen würden. Das moderne Artensterben, das bereits begonnen hat, sei vergleichbar mit den großen Massenaussterben der vergangenen Jahrmillionen. Bereits jetzt seien die Folgen an den immer häufiger auftretenden Wetterextremen zu beobachten, die menschliches Leid und hohe Kosten verursachten, sagte Feulner. Um die Entwicklung aufzuhalten, zähle jedes Zehntelgrad. Denn das Risiko von dramatischen und nicht mehr umkehrbaren Klimafolgen nehme jenseits von 1,5 Grad drastisch zu. Sein dramatisches Fazit: „Es bleibt nicht mehr viel Zeit, aber das Schlimmste können wir noch verhindern!“ Ernährung, Transport, Fernreisen: „Wir müssen nicht zurück in die Höhle, aber die Exzesse endlich einschränken.“
Die Rolle der Kirche sieht Feulner in der moralisch-ethischen Dimension – sie müsse die Gerechtigkeitsfrage zwischen globalem Norden und globalem Süden stellen, sowie zwischen heutigen und zukünftigen Generationen. Natürlich zählt auch die Bewahrung der Schöpfung zu den Kernaufgaben der Kirche. „Wir als Menschen haben die Verantwortung für alles Leben auf der Erde – wenn wir Arten auslöschen, dann haben wir ganz offensichtlich etwas ziemlich falsch gemacht.“ Und schließlich sei das Klima-Thema für die Kirche auch eine große Chance, die eigene Relevanz zu festigen und als Sprachrohr hörbarer zu werden. Damit das gelingen könne, müsse das kirchliche Handeln glaubwürdig in Liturgie, Bildung, Umgang mit Gebäuden, Mobilität und anderen Fragen werden.