„Unsere Art, Wirtschaft zu denken, ist gefährlich“
Im März startet im Haus am Dom eine neue Reihe. Georg Horntrich, Studienleiter für Wirtschaft und Finanzen, lädt zu fünf Abenden mit jeweils unterschiedlichen Akteur:innen ein. Den Anfang machen die Autoren Daniel Stähr und Simon Sahner, die am Mittwoch, 6. März, 19 Uhr, ihr Buch „Die Sprache des Kapitalismus“ vorstellen, anschließend gibt es eine Response und Diskussion. Im Interview erklärt Georg Horntrich, wie ökonomische und ökologische Themen allen zugänglich gemacht werden können.
Herr Horntrich, die neue Reihe behandelt den Zusammenhang von Wirtschaft und Ökologie – warum gehören diese beiden zusammen?
GEORG HORNTRICH: Landwirtschaft ist auch Wirtschaft, wie der Name schon sagt. Doch hier stoßen verschiedenen gesellschaftliche Ansprüche aufeinander. Artenschutz, Nitratbelastung, niedrige Preise und gesicherte bäuerliche Einkommen sind nicht leicht zu vereinbaren. Das zeigen auch die aktuellen Bauernproteste. Vom Landwirt bis auf den Teller des Verbrauchers, der Verbraucherin, passiert vieles auf unterschiedlichen Ebenen, das uns als Konsumenten nicht bewusst ist. Die Landwirtschaft kämpft mit den Folgen des Klimawandels, in der Tierzucht werden Antibiotika verfüttert, Produkte werden in Plastik eingeschweißt. Es geht um Subventionsgelder und teure technische Anschaffungen, um Gesundheitsfragen und Ertragsoptimierung, indem Tiere in Massen hochgezüchtet und Pflanzen genetisch verändert werden. Und dann ist da noch die andere Art der Landwirtschaft, die ökologische, bei der eine Kuh eben kein Klimakiller ist, eine Landwirtschaft, die etwas für die Artenvielfalt tut. Über all das möchten wir sprechen.
Welche Rolle spielt der Mensch dabei?
Menschen produzieren und konsumieren. Bildung ist ein wichtiger Hebel, um die Wirtschaft zu stärken, nirgendwo sind die Renditen individuell wie volkswirtschaftlich langfristig so hoch. Aber wer sorgt für gute Bildung, die allen zugänglich ist?
Sie fordern, Unternehmen gleich ganz als Ökosysteme zu denken. Warum?
Wenn wir das tun, wird es leichter, nachhaltig zu leben, mehr das zu nutzen, was schon da ist. Ich denke da ans Stichwort Kreislaufwirtschaft. Es gibt von allem genug für alle. Wenn wir Rohstoffe recyclen, statt dauernd neu zu extrahieren, wenn wir aufhören, Wälder zu roden und Kriege um Öl zu führen, dann ist das gut für den Planeten und gut für den Menschen. Denn der Mensch kann gut in der Natur existieren, wir sind ja selbst Natur. Wir brauchen ein Denken, das Gemeingüter und öffentlich Güter priorisiert. Wir sind auf einen Wohlstandbegriff fixiert, wobei Lebensqualität viel wichtiger ist, gerade aus der Perspektive der Risiken, die wir selbst erzeugen.
Wie leidet denn die Natur unter den Wirtschaftsinteressen großer Konzerne?
Momentan zerstört die Menschheit ganze Ökosysteme, ohne überhaupt alle Pflanzen und Tiere zu kennen, die es dort gibt und die dadurch aussterben. Das ist hochproblematisch und gefährlich, manche Eingriffe in die Natur sind sogar unumkehrbar, zum Beispiel dass die Meere voller Mikroplastik sind. Hier ist das Wissen der indigenen Völker gefragt, die heimische Tiere und Pflanzen kennen und die Gefahr eines Ungleichgewichts abschätzen können. Doch statt sie als Partner anzuerkennen, versuchen Konzerne, sie finanziell zu übervorteilen, zum Beispiel, indem sie sich Medizinprodukte auf Basis von indigenem Wissen patentieren lassen, ohne die Urheber:innen am Gewinn zu beteiligen.
Welches Ziel verfolgen Sie mit der fünfteiligen Reihe?
Zunächst geht es darum, die blinden Flecken im ökonomischen Denken aufzuzeigen. Dafür braucht es andere Wissenschaften mit denen man ins Gespräch kommen muss. Ziel ist es, komplexe ökonomische Themen so herunterzubrechen, dass sie die Menschen in ihrer Lebensrealität erreichen. Die fünf Abende sind dabei nur der Auftakt, die Reihe ist auf zwei Jahre angelegt. Im zweiten Halbjahr möchte ich einen Schwerpunkt auf Biodiversität legen. Das ist wichtig, denn allein die Dienstleistungen der intakten Natur sind größer als das Volkseinkommen. Wir denken immer noch zu sehr national und nicht global. Es ist an der Zeit, andere, ärmere Länder am Wohlstand teilhaben zu lassen, indem dort Wertschöpfung stattfindet. Uns wird es nicht schlechter gehen, wenn es den anderen besser geht, im Gegenteil.
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Eine Übersicht über die ersten fünf Teile der neuen Reihe „Wirtschaft - Transformation – Zukunft: Warum wir ein neues ökonomisches Denken brauchen“ gibt es hier. Eintritt: jeweils 7 Euro /5 Euro, bei der Teilnahme an drei Veranstaltungen der Reihe im ersten Halbjahr gibt es Rabatt. Tickets über unser Ticketsystem.