17.10.2014
Neuen Sinn in der Fremde finden
FRANKFURT.- Migranten brauchen eine „gute Elternschaft“, um in ihrer neuen Heimat Fuß zu fassen. Darauf hat der Psychiater Prof. Wielant Machleidt (Hannover) bei einem Fachtag über „Psychische Gesundheit und Migration“ am Freitag, 17. Oktober, im Frankfurter Haus am Dom hingewiesen. Das Einwanderungsland müsse fundierte Integrationshilfe leisten, damit die Migranten in die Gesellschaft hineinfinden. Die Aufnahmegesellschaft müsse dabei eine Empathie entwickeln, die Kulturgrenzen überschreiten kann. Auch Beratung, Seelsorge und Therapie müssten so gestaltet werden, dass „Migranten in der Fremde wieder zu sich selbst finden“.
Machleidt verglich den Weg von Migranten bis zu einer echten Beheimatung in der Fremde mit dem Heranwachsen Jugendlicher, die sich aus ihrer vertrauten Umgebung lösen und mit Verlusten umzugehen lernen müssten. Wer einen neuen Lebenssinn in der Fremde finden will, brauche einen Kosmos, der Orientierung gibt. Berater, Therapeuten und Ehrenamtliche mit einer „starken inneren Orientierung“ seien vonnöten, damit die Migranten nach ihren traumatischen Verlusterfahrungen wieder ein „authentisches Selbst“ entwickeln könnten. Empfehlenswert seien dafür etwa Paten, die Migranten im Alltag begleiten.
Ein katholischer Fußballverein für junge Migranten
In der Frankfurter katholischen Kirche gibt es ebenso wie in sozialen und städtischen Bezügen zahlreiche Initiativen, die sich um Migranten in besonderer Weise bemühen. So berichtete etwa Manfred Schratz, Jugendleiter bei dem ursprünglich katholischen Fußballverein DJK Schwarz-Weiß im Arbeiterstadtteil Griesheim von der integrierenden Kraft des Sports, wo es über Gesundheitserziehung und Bewegung, aber vor allem auch persönliche Zuwendung der Trainer gelinge, den rund 140 jugendlichen Mitgliedern Fairness und Menschlichkeit zu vermitteln.
Bei erwachsenen Migranten ist nach Erfahrungen von Sr. Mariotte Hillebrandt von der katholischen Gemeinde Maria Hilf im Gallus nicht allein der Heimatverlust das Problem, sondern vielmehr die Verknüpfung einer schwierigen sozialen Lage mit Arbeitslosigkeit, Armut, Wohnungsnot und psychischen Erkrankungen. Hier zeige sich oft eine Ausweglosigkeit, die die Menschen zunehmend körperlich und seelisch belaste, hat auch Calogera von Auw von der Caritas-Migrationsberatung in Höchst festgestellt. Pater Gaby Geagea, Pfarrer der maronitischen Gemeinde in Frankfurt, zu der arabischsprachige Katholiken vor allem aus dem Libanon und Syrien zählen, unterstrich die große Bedeutung muttersprachlicher Gemeinden für die Migranten. Vor allem mittels muttersprachlicher Seelsorge und Begleitung könnten sie in der Fremde Sicherheit gewinnen.
Interesse und Neugier, Befangenheit und Ablehnung
Auch in der Paarberatung im Haus der Volksarbeit zeigt sich nach den Worten der Psychologin Ruth Bornhofen-Wentzel, wie schwierig sich die Auseinandersetzung mit dem Eigenen und dem Fremden gestaltet, wenn zu allen gewöhnlichen Unterschieden in einer Paarbeziehung auch noch kulturelle und sprachliche Grenzen und Differenzen hinzutreten. Interesse und Neugier in der Begegnung mit dem Fremden schlügen dann allzu oft um in Befangenheit und Ablehnung, ergänzte Dorothee Glückler, Leiterin der Ehe- und Sexualberatung im Haus der Volksarbeit, die Prof. Machleidt für den Fachtag gewonnen hatte.
Machleidt, der seit vielen Jahren zu psychischer Gesundheit, Migration und Kultur forscht, sprach vor mehr als 140 Zuhörern aus Seelsorge, Sozialarbeit und Beratung, Medizin und Ehrenamt. Der Fachtag, der von mehreren Institutionen der katholischen Kirche in Frankfurt und dem städtischen Amt für multikulturelle Angelegenheiten organisiert worden war, wollte in Arbeitsgruppen und kleineren Gesprächsrunden auch zu einer Vernetzung der verschiedenen Akteure im Umfeld der Arbeit mit Migranten beitragen. (dw)