30.01.2014
Provokant und fromm
FRANKFURT.- Kaum erklingen die ersten Töne vom Klavier, da wippen die Köpfe im Takt, zucken die Fußspitzen, summen die Zuhörer leise mit: Ein Zenetti-Abend war versprochen in der Reihe der Frankfurter Pastoralgespräche im Haus am Dom, und der Große Saal ist rappelvoll. Wahrlich, da zeigt sich „die Frankfurter St. Zenetti-Gemeinde“, wie der Kirchenkabarettist Stefan Herok amüsiert feststellt, vereint, als wären die letzten 60 Jahre zu einem zusammengeschnurrt.
Mehr als 230 Zuhörer hatten am Donnerstag, 30. Januar, den Weg ins Haus am Dom gefunden, um der Theopoesie des Priesterdichters Lothar Zenetti nachzuhorchen. Zenetti, der in wenigen Tagen - am 6. Februar - seinen 88. Geburtstag feiert und aus gesundheitlichen Gründen nicht zu dieser Soirée zu seinen Ehren kommen konnte, wurde dabei eine Hommage zuteil, die ihresgleichen sucht. Der Limburger Diözesankirchenmusikdirektor Andreas Großmann und der Theologe Herok präsentierten mit Klavier und Stimme ein großartiges Lebenswerk, das sich in Texten, Liedern und Gedichten als religiös und politisch, fromm und polemisch, spirituell und ironisch, provokant und witzig gleichermaßen zeigte.
Ausdrucksstark und sprachpfiffig
Der Name Zenetti steht in einer Reihe mit den bekanntesten Textschöpfern neuer geistlicher Lieder: „Seine Texte haben mit dazu beigetragen, dass das Geistliche Lied in den vergangenen 50 Jahren eine Blüte erlebte, wie es seit den Zeiten eines Paul Gerhardt, des evangelisch-lutherischen Kirchenlieddichters aus dem 17. Jahrhundert, nicht mehr der Fall war“, hebt Großmann hervor. Herok charakterisiert ihn als einen „progressiven Denker mit frommen Seiten“, geprägt vom Zweiten Vatikanischen Konzil ebenso wie von tiefer Frömmigkeit, dessen Texte ungebrochen aktuell erscheinen. Und selbst Weihbischof Thomas Löhr steuerte in einem Brief an Zenetti die Dankbarkeit für einen „so ausdrucksstarken und sprachpfiffigen Priester“ bei, der den Glauben immer mit sprachschöpferischer Kraft vermittelt habe.
Weit über das Bistum Limburg hinaus gehören seine Lieder zum Schatz ganzer Generationen von Katholiken. Rund 150 seiner Gedichte wurden bisher vertont, sogar „Was keiner wagt“ von Konstantin Wecker stammt aus Zenettis Feder. In katholischen und evangelischen Gesangbüchern finden sich seine Texte; auch im neuen Gotteslob wird er ? zum Teil neu vertont - wieder vertreten sein. Zahlreiche Bücher mit poetischen und politischen Texten hat er veröffentlicht.
Zenetti, der seit mehr als 60 Jahren Priester ist, war 25 Jahre Pfarrer von St. Wendel in Sachsenhausen, mittlerweile lebt der gebürtige Frankfurter mit italienischen Wurzeln wieder in seiner Heimatpfarrei Frauenfrieden in Bockenheim. Und so waren Weggefährten und Freunde, aber auch Liebhaber seiner Gedichte und Anhänger seiner spirituellen Kraft ins Haus am Dom gekommen. Sie trugen dazu bei, dass Zenetti trotz Abwesenheit ganz gegenwärtig war, schwirrten doch in der Konzertpause, wohin man auch hörte, Geschichten und Erinnerungen herum, die die Besucher im Herzen trugen. (dw)