29.10.2015
Dialog der Religionen als "heilige Pflicht"
FRANKFURT.- „Der Dialog der Religionen ist eine heilige Pflicht.“ Mit diesen Worten charakterisierte der Vorsitzende der Unterkommission für den interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke (Hamburg), Erbe und Auftrag der Erklärung „Nostra aetate“, die das Zweite Vatikanische Konzil vor genau 50 Jahre, am 28. Oktober 1965, verabschiedet hatte.
Weihbischof Jaschke äußerte sich vor rund 100 Besuchern bei einem „interreligiösen Gespräch über das Verhältnis der Kirche zum Islam“, das zum 50. Jahrestag am Mittwoch, 28. Oktober, im katholischen Bildungszentrum Haus am Dom in Frankfurt veranstaltet wurde. Dazu hatten die Christlich-Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO), die Fachstelle der Deutschen Bischofskonferenz für den interreligiösen Dialog, die Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen und das Haus am Dom des Bistums Limburg eingeladen. Bei der Veranstaltung wurde die Erklärung „Nostra aetate“ von sunnitischen, schiitischen und alevitischen Wissenschaftlern sowie von katholischen und protestantischen Theologen als epochales Ereignis gewürdigt.
Kopernikanische Wende
„Nostra aetate“ hat die Haltung der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen auf eine neue verpflichtende Grundlage gestellt. Nicht selten wird die Erklärung als kopernikanische Wende im Dialog der Kirche mit den Religionen bezeichnet. Das Konzil hat einerseits den Wahrheitsanspruch des Christentums und der katholischen Kirche erneut herausgestellt, andererseits aber Wertschätzung für alles Wahre und Gute in den anderen Religionen zum Ausdruck gebracht und den Weg des Dialogs gefordert. Juden, Christen und Muslime verbindet demnach nicht nur die Bezugnahme auf Abraham, sondern vor allem, wie „Nostra aetate“ sagt, der Glaube an „den alleinigen Gott, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“ (Nostra aetate 3).
Für die katholische Kirche waren Weihbischof Jaschke und der international renommierte Islam-Experte P. Prof. Dr. Christian Troll SJ die Hauptredner. Der Sunnit Prof. Dr. Erdal Toprakyaran (Tübingen), der Schiit Dr. Hussein Hamdan (Tübingen) und der Alevit Prof. Dr. Handan Aksünger (Hamburg) sowie der evangelische Theologe Dr. Friedmann Eißler (Berlin) würdigten in ihren Beiträgen die „Hochachtung“, die die katholische Kirche in der Erklärung „Nostra aetate“ den Muslimen erweisr, als wegweisenden Schritt hin zu einem gemeinsamen Weg der Religionen.
Allerdings ? so machte die Tagung deutlich ? steht das interreligiöse Gespräch in einem im Vergleich zu 1965 stark veränderten politischen und gesellschaftlichen Kontext. Besonders die Zunahme religiös motivierter Gewalt in vielen Teilen der Welt stellt eine dramatische Herausforderung dar. Vor diesem Hintergrund wurde die Berechtigung einer Unterscheidung zwischen „Gläubigen“ und „Ungläubigen“ diskutiert. P. Prof. Troll rief die Goldene Regel („Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst“) als Kriterium für wahre Religiosität in Erinnerung. Deutlich wurde bei der Veranstaltung, dass sowohl unter Muslimen als auch in den katholischen Gemeinden die Erklärung „Nostra aetate“ noch nicht ausreichend bekannt ist und einer weiteren Rezeption bedarf.
Der Abend stand im Rahmen einer Reihe von Veranstaltungen, mit denen die Deutsche Bischofskonferenz an den Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren erinnert. (dbk)