17.04.2015
Kirchensteuer ja ? Staatsleistungen vielleicht
FRANKFURT.- Über die staatliche Finanzierung der Kirchen kann man verhandeln, doch das Prinzip der Kirchensteuer sollte tunlichst nicht angetastet werden. Das ist das Fazit einer Diskussion über die „Finanzen der Kirche“, zu der der Frankfurter Domkreis Kirche und Wissenschaft am Donnerstag, 16. April, in das Haus am Dom eingeladen hatte. Nur einen Tag nach der Eröffnung der Ausstellung „Von den irdischen Dingen ? Kirche und Geld im Bistum Limburg“ der Katholischen Erwachsenenbildung diskutierten hier Fachleute über Kirchensteuern und andere Geldquellen der Kirche. Anlass war ? wie auch bei der Limburger Ausstellung ? nicht nur der Finanzskandal im Bistum, sondern auch der neue Weg zu mehr Transparenz in Gelddingen und der Versuch, verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Im Fokus der Diskussion waren vor allem die so genannten Staatsleistungen, die ursprünglich als Entschädigung für die Enteignungen großer kirchlicher Ländereien, Kirchen und Klöster vor mehr als 200 Jahren gedacht waren. Aber auch die Kirchensteuer, eine moderne Form der Kirchenfinanzierung, die alle Katholiken nach ihren Möglichkeiten beteiligt und die es in dieser Form nur in Deutschland, der Schweiz und Österreich sowie einigen skandinavischen Ländern gibt, kam auf den Prüfstand.
Über Staatsleistungen verhandeln
Die Staatsleistungen beliefen sich 2013 auf 224 Millionen Euro für die katholische Kirche in Deutschland und auf 264 Millionen für die evangelische Kirche. Das ist ein, wie der Unternehmensberater Thomas von Mitschke-Collande, Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, hervorhob, „verschwindend geringer Betrag“ im Blick auf die knapp acht Milliarden Euro Kirchensteuern, die die 52 Millionen Mitglieder der evangelischen und der katholischen Kirchen jedes Jahr aufbringen. Zur Zeit ist denn auch vor allem in der katholischen Kirche die Bereitschaft groß, über die Ablösung dieser Staatsleistungen zu verhandeln, wie der FAZ-Redakteur und Moderator der Diskussion, Daniel Deckers, erläuterte. Dass die Bundesländer aber finanziell derzeit gar nicht in der Lage wären, eine entsprechende Ablöse zu zahlen, stehe auf einem anderen Blatt, unterstrich der Sozialethiker Gerhard Kruip.
Anders sieht es bei der Kirchensteuer, dem Mitgliedsbeitrag der Christen für ihre Kirche, aus. Magdalene Bußmann vom Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern setzte sich vehement dafür ein, diese „theologisch fragwürdige Zwangsabgabe“, wie sie sagte, mittel- bis langfristig abzuschaffen und durch andere Finanzierungsmöglichkeiten etwa wie die Kultussteuer in Italien zu ersetzen. Selbst der Vatikan habe schließlich 2006 festgestellt, dass ein Kirchenaustritt keinen Abfall vom Glauben bedeuten müsse. Dennoch werde in Deutschland jeder, der die Körperschaft öffentlichen Rechts ? wenn auch vielleicht nur aus finanziellen Gründen ? verlasse, bestraft, indem ihm die Zulassung zu den Sakramenten verwehrt werde. Das sei einer Kirche, die schließlich das „wandernde Volk Gottes“ repräsentiere und keine politische Organisation sei, nicht würdig, betonte die Theologin.
Kirchensteuer sichert Investition in Bildung und Caritas
Dem widersprachen Kruip und Mitschke-Collande deutlich. „Wenn wir über die Kirchensteuer diskutieren, führt das zu einer anderen Kirche“, zeigte sich das ZdK-Mitglied überzeugt. In Caritas oder Bildung könne die Kirche dann nicht mehr wie bisher investieren. Sie müsse sich zwangsläufig aus vielen Feldern zurückziehen. Der Sozialethiker verteidigte die Kirchensteuer als solidarisches System, in dem wohlhabende Bürger deutlich mehr zahlten als die ärmere Bevölkerung. So zahle überhaupt nur ein Drittel der Katholiken Kirchensteuer. Hinzukomme, dass in Ländern mit einem Spendensystem wie etwa den USA Großspender einen sehr unguten Einfluss auf die Kirchen nähmen.
Auch der Finanzdezernent des Bistums Limburg, Gordon Sobbeck, verteidigte die Kirchensteuer als demokratisch und solidarisch. Allein der Diözesankirchensteuerrat, der sich aus ehrenamtlichen Laien zusammensetze, entscheide über die Verwendung der Mittel: „Die jetzige Form der Kirchenfinanzierung sichert wichtige Teile des Sozialstaates.“ Da die Kirchensteuer aber allein aufgrund der Überalterung der Gesellschaft massiv zurückgehen werde, müsse schon heute über Alternativen der Finanzierung nachgedacht werden. Hier könnte die Gründung von Fonds und Stiftungen helfen, damit deren Zinsen mittelfristig genutzt werden könnten, um die Angebote der Kirchen aufrechtzuerhalten. (dw)