13.12.2015

Wenn Unbarmherzigkeit regiert...

Sozialpolitischer Arbeitskreis eröffnet Veranstaltungsreigen zum Heiligen Jahr

FRANKFURT.- Am Anfang standen schwierige Begriffsabwägungen: Ob der Umgang von Politikern miteinander, das Urteil der Öffentlichkeit über Menschen, die Fehler machen, der Hass Andersdenkenden gegenüber, das Verurteilen von Menschen, die sich nicht an kirchliche Gebote halten, die Abwehr von Straftätern, die nach dem Gefängnis einen neuen Start brauchen: Unbarmherzigkeit ist in Politik und Gesellschaft ebenso weit verbreitet wie in Kirche oder Gefängnis. Offenbar braucht es also ein Jahr der Barmherzigkeit, wie es Papst Franziskus in diesem Advent ausgerufen hat. 

Dabei ist doch Barmherzigkeit einer der Tragbalken der Kirche, wie der Limburger Weihbischof Thomas Löhr am Sonntag, 13. Dezember, im Haus am Dom betont. „Barmherzigkeit ist für die Kirche nicht eine Option unter vielen, sie ist ihr Wesen.“ Und auch der Gesellschaft täte ein bisschen mehr Barmherzigkeit gut.  Das erweist sich bei der Politischen Matinee unter dem Titel „Update barmherzig ? Von den Rändern her denken und handeln!“, mit dem der Sozialpolitische Arbeitskreis des Bistums  Limburg den Veranstaltungsreigen zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit eröffnet. Der Weihbischof setzt in seinem Impuls die wichtigen Marken, indem er betont, dass sich ? wie viele befürchten ? Barmherzigkeit und Wahrheit ebenso wenig ausschließen wie sich Barmherzigkeit und Gerechtigkeit gegeneinander ausspielen lassen. Vielmehr müssten sich die Menschen entscheiden: „Entweder wir sind Teil der Barmherzigkeit oder Teil von Hass und Neid und Kälte.“

Falsch verstandene Barmherzigkeit vergisst die Opfer 

Dass es viele Pforten der Barmherzigkeit braucht, damit Politiker nicht gnadenlos mit dem politischen Gegner umspringen, damit Menschen sich nicht besser als andere dünken, damit Schwachen die Hand gereicht wird ? das erweist die anschließende Diskussion mit der Gefängnisseelsorgerin Pia Arnold-Rammé, dem ehrenamtlichen Stadtrat Bernd Heidenreich, dem FAZ-Redakteur Daniel Deckers und Wolfgang Pax, dem Leiter des Kommissariats der Bischöfe bei der hessischen Landesregierung. Pia Arnold-Rammé hört immer wieder von der berechtigten Angst der Gefangenen, die auch nach Verbüßung ihrer Strafe nicht auf Milde hoffen dürfen. Bernd Heidenreich weiß, wie gnadenlos die Öffentlichkeit auch kleine Fehler sanktioniert.

Daniel Deckers lenkt den Blick auf die Kirche, deren oft unbarmherziges Schwarz-Weiß-Denken der Papst mit seiner Initiative aufbrechen wolle. Eine Hoffnung auch für Wolfgang Pax, der sich einen „Barmherzigkeitsimpuls“ für den Staat erwartet, wenn es gelinge, im Jahr der Barmherzigkeit in der Kirche Menschen zu sammeln und mit ihnen die Kraft dieses Begriffes zu entfalten. Nur eine falsch verstandene Barmherzigkeit, die dem Täter zur Seite stehe und das Opfer wegschiebe, wie es etwa die Kirche lange bei Missbrauchsfällen getan habe, „diese Barmherzigkeit braucht niemand, schon gar kein Opfer“, stellt Deckers unmissverständlich klar. (dw)

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