20.04.2016
Den Horizont der Freiheit erschließen
FRANKFURT.- Dass ihm der Abschied nach fast 40 Berufsjahren schwerfällt, ist unverkennbar: Noch kann Hans Prömper, seit 1999 Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) in Frankfurt nicht so richtig loslassen. Doch Ende April heißt es Abschied nehmen für den 65-Jährigen, der sich vor allem als Männerexperte im deutschsprachigen Raum einen Namen gemacht hat.
Hans Prömper sieht in seiner Herkunft als Arbeiterkind, das kaum Zugang zu bestimmten Bereichen von Kultur hatte, ein starkes Motiv für seinen lebenslangen Bildungshunger, aber auch für sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Seine Parteilichkeit für Ausgeschlossene, für Migranten, für die Armen und Beladenen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, hat sicher hier ihre Wurzeln. In der Schule war er ehrgeizig, drängte aufs Gymnasium, hat sich aber auch allzu oft seiner Herkunft geschämt: „Wenn die Socken mehrfach gestopft waren, das Geld hinten und vorne nicht gereicht hat, da stand man schon ein bisschen am Rand“, erinnert er sich.
Spirituell und politisch
Das Gefühl willkommen zu sein, dazu zu gehören, Heimat zu finden, hat ihm erst ein Kaplan gegeben, der in Neu-Isenburg eine tolle Jugendarbeit anbot. Da kam dann sogar der Wunsch auf, ebenfalls Priester zu werden, sodass sich der junge Mann im Priesterseminar des Bistums Mainz anmeldete. „Fünf Jahre nach dem Konzil, da hatten wir eigentlich alle die Erwartung, dass das Zölibat bald aufgehoben würde“, erinnert er sich schmunzelnd. Dass die Aufbruchsstimmung damals in der katholischen Kirche zwar riesig, aber so manche Träume doch unrealistisch waren, hat Prömper dann allerdings relativ bald erkannt und sich nach dem Vordiplom in Theologie umentschieden.
Pädagogik an der Frankfurter Goethe-Universität, wo noch die freie Luft der Nach-68er zu spüren war, und Theologie im Nebenfach hieß die Devise. Schnell spezialisierte sich Prömper auf die Erwachsenenbildung und bekam prompt ein Stellenangebot des Bistums Limburg. Am 1. Februar 1977 trat er sein Amt als Bildungsreferent bei der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) an der Fachhochschule Frankfurt an. Bei der Kirche, so hatte er das Gefühl, könnte er seine eigenen Themen am besten realisieren; politische Fragen, die Friedensbewegung, aber auch die spirituelle Dimension, die gerade in den überwiegend männlich geprägten Ingenieur-Studiengängen an der FH eigentlich nicht vorgesehen war. Hier konnte er Fragen von Technik und Ethik diskutieren, Exkursionen zu alternativen Energieangeboten organisieren, sogar ein Projekt Energiesparen in katholischen Pfarreien Frankfurts mitinitiieren.
Die erste Männergruppe in der Katholischen Hochschulgemeinde
Mit den Ingenieurstudenten den Blick auf Energiefragen richten, das weckte aber neben der rein technischen Sicht immer stärker auch das Bewusstsein für die vielfach uneingestandenen Bedürfnisse von Männern nach Nähe, nach Austausch, nach Abschied vom Image der harten Kerle. Schon Anfang der 80er Jahre bot Prömper deshalb die erste Männergruppe in der Studentengemeinde an und hatte damit sein Lebensthema gefunden. „Die Motive waren damals ganz andere“, erzählt er. „Während heute der berufliche Leidensdruck größer ist, weil Männer immer nur Leistung bringen sollen, fühlten sie sich damals stärker unter dem Druck der Frauen, die von ihnen forderten, im persönlichen Miteinander Gefühle zu zeigen und Macht abzugeben.“
Zeitgleich wurde das Leben an den Hochschulen in Frankfurt bunter und internationaler. Prömper bot die ersten interreligiösen und interkulturellen Begegnungsseminare an, lud zu Ost-West-Begegnungen und Reisen in den damaligen Ostblock ein, lange ehe die Mauer fiel. Doch nach mehr als 20 Jahren in der KHG suchte Prömper eine neue Herausforderung. Er reduzierte seine Stelle, um mehr Zeit für seine Familie mit den zwei kleinen Kindern zu gewinnen, promovierte an der Goethe-Uni über „Emanzipatorische Männerbildung“ und schrieb damit ein Grundlagenwerk für die katholische Männerarbeit in Deutschland. Noch während die Arbeit entstand, übernahm Prömper 1999 die Leitung des Katholischen Bildungswerkes Frankfurt der KEB. Dem Männerthema blieb er auch da treu und wurde schnell der katholische Männerexperte, saß im Beirat großer deutscher Männerstudien, war im Bundesforum Männer, in der Pastoralkommission der Bischofskonferenz zu Männerfragen und im Netzwerk geschlechterbewusste Theologie aktiv.
Der katholische Männerexperte
In Frankfurt organisierte er Männergruppen, Männerpilgern, Klosterwochenenden oder Fastenimpulse für Männer. „Dass Männer über ihren Glauben sprechen können, dass sie dafür ihre eigene Ausdrucksweise finden, dass sie Vergebung und Versöhnung lernen, dass sie sich selbst Freund sein können, das ist noch ganz ungewohnt für diese Generation“. Und so versuche er bis heute, im Blick auf Männer, Bildung und Kirche den „Horizont möglicher Freiheit neu zu erschließen“.
Als Leiter der KEB Frankfurt hat er diese Schwerpunkte verstärkt, hat der Einrichtung eine neue Identität gegeben und versucht, sie stärker „am Kunden zu orientieren“. Mit Qualifizierungsangeboten für das Ehrenamt, mit Fortbildungen und Tagungen zu Wertorientierung oder zivilgesellschaftlichem Engagement geht die Erwachsenenbildung seither „in die Welt hinaus“, erreicht so auch Menschen, die der Kirche fernstehen.
Programmgestaltung und Bildungsmanagement
Dabei ist neben der Programmgestaltung auch das Bildungsmanagement immer stärker in den Vordergrund gerückt, Drittmittel wollen eingeworben und Projekte beschrieben sein, der Konkurrenzdruck erfordert innovative Anstrengungen. Bundesweite Projekte wie Treffpunkt Ethik oder Treffpunkt Lernen zeugen davon ebenso wie die zunehmende Zahl der Angebote für Migranten, vor allem für die älter werdende Generation, die entgegen allen ursprünglichen Absichten nicht mehr zurück in ihre Heimat kehrt.
Mit der Sozialberatung für Migranten, mit Altenclubs oder der Fortbildung von Ehrenamtlichen aus Gemeinden anderer Muttersprache setzt Prömper das fort, was ihn schon früh in seiner Laufbahn umtrieb: Menschen Zugänge zur Gesellschaft, zu Bildung zu eröffnen, die sie sonst nicht hätten, ihnen Zuwendung und Wertschätzung entgegenbringen und sie so in Kreisen sichtbar werden lassen, in denen sie normalerweise kaum wahrgenommen werden.
Das werden auch die Themen sein, die ihn im Ruhestand nicht loslassen: Ein Lehrauftrag an der Universität des dritten Lebensalters hat bereits im Wintersemester begonnen, das Thema „Männer und Altern“. Er wird Projekte weiterführen, Bildungsurlaube und Wochenendseminare organisieren, in der Hessischen Jakobusgesellschaft aktiv sein: „Ich will künftig nicht ganz was anderes machen, sondern das fortsetzen, was mir am Herzen liegt, aber mit weniger Bürokratie, weniger Sitzungen und weniger Verwaltungsaufwand“, freut er sich dann doch ein ganz kleines bisschen auf den neuen Lebensabschnitt. (dw)