FRANKFURT, 26.05.2018
Welttheater, Liebe und Religion
Das ungefilterte Leben der Stadt untersuchen und aufnehmen, wie in einem „Laboratorium der Polis“, das ist die Aufgabe des Theaters, wie es der Frankfurter Regisseur und Theaterchef Willy Praml versteht. Für sein innovatives Engagement in der emanzipatorischen Theaterarbeit hat er am Samstag, 26. Mai, im Frankfurter Kaiserdom St. Bartholomäus den mit 2.500 Euro dotierten Walter-Dirks-Preis 2018 erhalten. Dabei wurde auch deutlich, dass sein Engagement für eine gerechte Gesellschaft aus seinem katholischen Glauben und den zentralen Begriffen Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Gleichheit vor Gott gespeist wird: "Als Theater machender Mensch glaube ich an die Kraft der Phantasie, an die ordnende Fähigkeit der Kunst und an die Göttlichkeit der Liebe, die im schöpferischen Hervorbringen jeglicher Art enthalten ist", sagte er in seiner Dankesrede.
Willy Pramls gesellschaftskritische Kulturarbeit in der Naxos-Halle mit seinem Schauspielensemble, aber auch mit Geflüchteten und langzeitarbeitslosen Jugendlichen und anderen Laienschauspielern, hat die Jury, die den Preis alle zwei Jahre im Auftrag des Hauses am Dom und des Hauses der Volksarbeit vergibt, bewogen, Praml auszuzeichnen. Seine herausragende politisch-ästhetische und integrative Theaterarbeit sei konträr zu aktuellen menschenfeindlichen und verhetzenden Tendenzen in Deutschland zu lesen, unterstrich der Jury-Vorsitzende, Hejo Manderscheid, der frühere Caritasdirektor im Bistum Limburg. Auch christliche Themen sind dem Theater Willy Praml immer wieder ein Anliegen. So bringt das Theater seit nunmehr 13 Jahren alljährlich zu Weihnachten und Ostern die Geschichte des Lebens, Wirkens und Sterbens von Jesus Christus auf die Bühne.
Wille zur Größe
Die Feuilleton-Redakteurin Eva-Maria Magel (FAZ) würdigte den 76-jährigen gebürtigen Landshuter in ihrer Laudatio als „katholischen Sozialisten“, der mit seinem Theater Willy Praml immer den Puls der Zeit fühle und dessen Wille zur Größe in jeder seiner Inszenierungen spürbar sei. In seinen Dankesworten zeigte sich Praml eng verbunden mit dem katholischen Publizisten Walter Dirks (1901-10991), der immer einen „demokratischen Sozialismus mit menschlichem Angesicht“ habe verwirklichen wollen. Sozialismus sei nach Walter Dirks, der nach dem Zweiten Weltkrieg die Gründung der CDU in Frankfurt initiierte, ohne das Christentum nicht denkbar. Dirks gilt bis heute als Identifikationsfigur für kritische Minderheiten im deutschen Katholizismus der 50er bis 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
Stoffe, die in der Luft liegen
In einem Gespräch mit dem Journalisten Meinhard Schmidt-Degenhard nannte Praml am Nachmittag Welttheater, Liebe und den Glauben als bestimmende Begriffe seiner Theaterarbeit. Sein Ensemble, mit dem er seit vielen Jahren intensiv zusammenarbeitet, ermögliche in diesem Dreiklang einen Zugang zu „Stoffen, die in der Luft liegen, damit sie Welttheater werden“. Das stellten die Schauspieler unter Beweis, die zum Auftakt des Dirks-Tages auf dem Domplatz unter großem Beifall die Schlussszene aus ihrem aktuellen Stück „KafkAmerika“ nach Franz Kafkas Amerika-Fragment aufführten.
Im Gedenkgottesdienst für Walter Dirks zog Pfarrer Stefan Scholz Parallelen zwischen Theater, Theologie und Liturgie. Das Theater brauche die Kirche nicht, um Theater sein zu können, aber vielleicht brauche die Kirche von heute das Theater, um Kirche sein zu können. Schließlich werde jeder Mensch mit seiner Geburt ungefragt in seine Existenz gezwungen und „ohne Text auf die Bühne gestoßen“, um sich der unvorstellbaren Wirklichkeit Gottes zu stellen und menschlich zu werden.
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