Dr. mult. in praktischer Seelsorge

Botschafter des Vatikan im Frankfurter Domgespräch

FRANKFURT.- Wer einmal fünf Jahre Pfarrer in einer Großstadtgemeinde war, der ist ein „Dr. mult. in praktischer Seelsorge“: Für den Botschafter des Vatikan in Berlin, den Apostolischen Nuntius Jean-Claude Périsset, ist weder die hohe Politik noch die akademische Lehre entscheidend für tiefgreifendes Wirken: „Wir sollten in allen Umständen Gott handeln lassen, er weiß, warum und wohin er uns führt“, so lautet sein Bekenntnis am Samstag, 26. Januar, im Frankfurter Domgespräch zur Glaubwürdigkeit des Christentums. 

Im Gespräch mit dem Direktor des Hauses am Dom, des Kultur- und Bildungszentrums des Bistums Limburg in Frankfurt, erzählt Périsset anschaulich von seinem Werdegang: Vom kleinen Jungen, der  im schweizerischen Bistum Lausanne aufwuchs, als Sohn eines Konditors früh die Kirche als Spielplatz eroberte und schon bald wusste, dass er Priester werden wollte, vom jungen Mann, der Sprachen lernte und in der Welt herumkam und der schließlich im diplomatischen Dienst des Vatikan landete, in aller Welt zum Einsatz kam und immer und überall lernte, „mit den Menschen vor Ort zu leben“, ob in Südafrika, Peru, Frankreich, Pakistan, Japan oder Rumänien. 

2007 ernannte Papst Benedikt XVI. 2007 den heute 73-Jährigen zum Apostolischen Nuntius in Deutschland und „jetzt fühle ich mich jeden Tag mehr als Berliner“, sagt Périsset mit einem Schmunzeln. Deutschland habe eine „lebendige, hoffnungsreiche Kirche“, die dazu neige, sich selbst schlechter darzustellen als sie sei, meint der Vertreter des Papstes, der sich als Brückenbauer zwischen den Ortsbischöfen und dem Vatikan, aber zwischen den Bischöfen und ihren Gemeinden sieht. „Man muss den Bischöfen Zeit geben und sich die Zeit nehmen, schwierige Entscheidungen in Ruhe zu vermitteln“, rät er, denn nur im gegenseitigen Vertrauen lasse sich die Kirche im 21. Jahrhundert gemeinsam lebendig halten.  

Zu den bekannt gewordenen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche betonte Périsset, sie seien „eine Schande für die Täter“ und bedeuteten einen großen Leidensdruck für die Opfer: „Und wir müssen mitleiden!“ Doch gerade auch in Schwierigkeiten, in Spannungen und im Leid könnten Christen darauf vertrauen, „dass Christus mit den Menschen ist“. Der Deutschland- Besuch des Papstes vor zwei Jahren sei zur rechten Zeit gekommen und habe der deutschen Kirche neue Kraft gegeben, unterstrich der Nuntius. 

Der apostolische Nuntius war am Abend Hauptzelebrant und Prediger beim traditionellen Karlsamt im Frankfurter Kaiserdom: Die einzigartige Liturgie mit mittelalterlichen Gesängen erinnert alljährlich an Kaiser Karl den Großen, den Gründer Europas nach dem Ende des Römischen Reichs. Nur in der Karlsstadt Aachen und in Frankfurt wird sie zum Todestag Kaiser Karls, der am 28. Januar 814 in Aachen starb, regelmäßig gefeiert. (dw)

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