Frankfurt, 30.09.2020
"Im Tod habe ich alle Antworten gefunden"
Eine Lesung, in der es ums Sterben geht, ist eine ernste Sache – könnte man meinen. Umso überraschter waren viele Besucher der Konzertlesung des Dortmunder Künstlers Dada Peng, als dieser sie nach eineinhalb nachdenklichen Stunden mit einem Popsong entließ, der zusätzlich zum starken Text einen ebenso starken Beat lieferte. „Noch singe ich“ heißt das Stück, das die Zuschauer im Großen Saal im Haus am Dom auf ihren auf Abstand gestellten Stühlen zum Klatschen und zum Wippen brachte. „Klasse“, jubelte eine Besucherin nach der Lesung. „Das habe ich jetzt wirklich nicht erwartet!“
Wie ist das mit dem Leben, dem Sterben und dem Danach? Diesen Fragen geht Dada Peng nach, der vor 20 Jahren in die Hospizarbeit kam und sich seitdem mit dem Tod auseinandersetzt. Dazu beigetragen haben viele persönliche Verluste. Kurzfristige wie der Unfalltod seines Freundes, oder ein langsameres Sterben wie das nach der Krebsdiagnose seiner Mutter. Schmerzhafte Erfahrungen, von denen er in seinen Büchern „Mein Buch vom Leben und Sterben“ (2013) und „Scheiß aufs Schicksal“ (2015) offen berichtet. „Ich habe damals einfach ein Ventil für meine eigene Trauer gesucht“, berichtet er. Und so begann er, Gedichte und Tagebuch zu schreiben und Lieder zu komponieren, vieles davon fand später den Weg in die Bücher.
Welche Rolle spielt Gott?
Der „Kreislauf von Kommen und Gehen“ habe ihn schon immer beschäftigt, sagt der Autor. Und auch, welche Rolle Gott dabei spielt. Antworten suchte er als junger Mann nicht nur im christlichen Glauben, sondern auch bei Glaubensgemeinschaften wie den Hare Krishna. Doch erst, als er sich dem Thema Tod zuwandte, habe er plötzlich alle Antworten gefunden. Und eine tiefe Faszination entdeckt. „Ich wollte immer wissen, was passiert, wenn ein Mensch stirbt. Bis kurz, bevor es passiert, kann man als Gegenüber mit dem Sterbenden noch Kontakt aufnehmen, zum Beispiel durch Blicke. Doch dann ist der Mensch plötzlich weg – und man ist immer die eine Sekunde zu spät dran, um ihn zu fragen, was er sieht, was er fühlt“, so Dada Peng, der bürgerlich Mirko Klos heißt und ursprünglich aus den Bereichen Tanz und Moderation kommt.

Junge werden zu oft ausgeklammert
Heute bezeichnet er sich als Aktivist für junge Sterbende, für die er sich besonders engagiert. Sie würden noch zu oft ausgeklammert, kritisiert er. „Zum Beispiel im Internet und auf Social Media: Hospize haben ganz oft keine Webseite, auf der man mal die Zimmer sieht. Aber das ist doch für Betroffene eine wichtige Frage: Ist das der Ort, an dem ich sterben will?“ Die jungen Sterbenden sieht Dada Peng als Superhelden, die Besten und Schnellsten, die vor anderen ans Ziel gekommen seien. Entsprechend hat er die von ihm gegründete Initiative „Superhelden fliegen vor“ genannt. Mit ihr möchte Peng, der 2014 mit dem Ehrenpreis des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands im Bereich Medien ausgezeichnet wurde, auf ihre besonderen Bedürfnisse aufmerksam machen.
Mit der Band TIL hat Dada Peng ein gleichnamiges Lied dazu geschrieben, mit dem er verstorbenen Menschen ihre Sichtbarkeit zurückgeben will. Darin heißt es: „Wieso muss ich das ertragen? Kann’s mir bitte jemand sagen? Ich will zurück, was ich verlor. Doch Superhelden fliegen vor. Sie fliegen vor, sie gehn voran, sind Entdecker, stark und mutig. Und irgendwann flieg auch ich.“
Ich bin nur gestorben, es war gar nicht schlimm. So wie ich geboren, ist es einfach geschehn.
Doch bei allem Schmerz erzählt Dada Peng auch hoffnungsvolle Geschichten. Nämlich die vom Eiswürfel Harry, von dem Moment, als er begriff, dass der Tod nicht das Ende von allem ist. „Ich hatte mir Eiswürfel besorgt, um mir einen Drink zu machen“, berichtet er. „Doch es gab nur einen riesigen Sack Eiswürfel, der nicht in meinen kleinen Gefrierschrank gepasst hat. Also habe ich eine Handvoll Eiswürfel in die Spüle geworfen.“ Nun sei der Gefrierschrank zugegangen – und Dada Peng, in dieser Phase seines Lebens selbst mit der tödlichen Diagnose seiner Mutter konfrontiert, habe am Küchenschrank gelehnt, seinen Gin Tonic getrunken und den Eiswürfeln in der Spüle beim Schmelzen zugesehen. „Einer, ich nannte ihn Harry, verlor seine Form sehr sanft“, beschreibt Dada Peng. Plötzlich habe er begriffen, dass Harry, obwohl er seine Form wechsele, noch immer existiere, als Wasser nämlich. Für ihn ein Schlüsselmoment, der ihn ein Stückweit dankbar machte dafür, dass die selbst erlebten Verluste und das Leid seinen Blick geschärft haben: „Wenn du nicht in großer Not bist, nimmst du solche Situationen vielleicht gar nicht wahr.
Der Tod ist keine Strafe
Beim Nachdenken über die Vergänglichkeit des Lebens und im Gespräch mit vielen Sterbenden habe er schließlich begriffen, dass der Tod keine Strafe und nichts Ungerechtes ist. Sondern dass alle sterben, die einen früher, die anderen später. Entsprechend ent-dramatisiert ist der Tod heute für ihn. Trauer sei völlig natürlich, doch der Mensch sei nicht weg, „er ist immer noch da“. Davon handelt auch sein Lied „Ich bin nur gestorben“, das bei der Lesung im Haus am Dom für Gänsehaut bei den Besuchern sorgte und das aus Sicht eines Verstorbenen erzählt: „Ich bin nur gestorben, es war gar nicht schlimm. So wie ich geboren, ist es einfach geschehn. Ich bin nur gestorben, und du warst bei mir. An jenem Morgen, dafür danke ich dir.“
Die Lesung, die ebenfalls den Titel „Ich bin nur gestorben“ trug, war Teil der seit 2001 laufenden Serie „Sterben in der Großstadt“. Frankfurts Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne) hielt die Begrüßung im Haus am Dom und erinnerte an die vielen wichtigen Themen, mit denen sich die Reihe seit ihrem Start schon beschäftigt habe, darunter Trauer, den Traumata der Kriegsgeneration und dem Sterben von Kindern. Er unterstrich die wichtige Rolle von Hospizbegleitern, gerade in der Corona-Zeit, und dankte allen, die sich trotz der schwierigen Situation weiter für Kranke und Sterbende engagiert haben.