Zehn Jahre "Interkultureller Mediendialog"
FRANKFURT.- Seit genau zehn Jahren treffen sich im Rhein-Main-Gebiet Journalistinnen und Journalisten mit unterschiedlichem religiösem und kulturellem Hintergrund regelmäßig zum Austausch. 2007 als „Runder Tisch deutscher und türkischer Journalistinnen und Journalisten“ gegründet, hat sich der Gesprächskreis inzwischen zum „Interkulturellen Mediendialog“ weiterentwickelt, der vor allem deutsch-, türkisch- und arabischsprachige Journalisten umfasst. Die Teilnehmer eint dabei das Bewusstsein, dass die Medien beim Thema Integration in Deutschland eine große Rolle spielen. Dabei sind Rundfunk-, Print- und Online-Journalismus nicht nur Informationsorgane und Meinungsbildner, sondern auch Vermittler zwischen den Kulturen.
Der Trägerkreis des Forums - die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, das Bistum Limburg mit seinem Bildungszentrum Haus am Dom in Frankfurt und die „Neuen Deutschen Medienmacher“ - hat das Jubiläum des „Interkulturellen Mediendialogs“ am Dienstag, 21. November, im Haus am Dom in Frankfurt mit einem Empfang gefeiert. Dabei lobten die Gäste vor allem, dass die Zusammenarbeit eine professionelle Perspektive biete, in der nicht über Migranten, sondern mit ihnen gesprochen und debattiert werde.
Wechselseitige Vorurteile ausräumen
Der Direktor des Hauses am Dom, Joachim Valentin, Gründungsmitglied des Kreises, nannte als wichtigstes Ziel der regelmäßigen Begegnungen das Ausräumen von wechselseitigen Vorurteilen und Missverständnissen. Vor allem auf Seiten der deutschen Journalisten sei dies notwendig, aber auch etwa bei den türkischstämmigen Kollegen, die konservativ-religiöse Auffassungen ebenso verträten wie laizistisch-kemalistische. Um viele kontroverse Themen wie der Bau von Moscheen, islamischer Religionsunterricht oder die zunehmend autoritärer werdende Politik der Türkei sei im Verlauf der Jahre zum Teil heftig gestritten worden. Volker Rahn, von der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in der trägerkreis entsandt, verwies auf die Debatte um die NSU-Morde und das anfängliche Versagen der deutschen Medien in der Berichterstattung, aber auch auf Themen wie Pressefreiheit oder interkulturelle Dissonanzen.
Viele Konflikte blieben Valentin zufolge ungelöst. So habe man zum fünfjährigen Bestehen noch optimistisch auf die Entwicklung der Türkei blicken können, die sich damals auf einem guten Weg befunden habe und sich wirtschaftlich und politisch in Richtung Demokratie entwickelte. Seit 2013, dem Jahr der zweiten Türkeireise des Journalistenkreises, habe sich allerdings die Weltlage rasant zugespitzt. Die veränderte Politik Erdogans bringe gerade auch für Journalisten wachsende Probleme. Mittlerweile sei ein Mediensterben aus politischen und wirtschaftlichen Gründen zu beobachten, oppositionelle Medien würden mundtot gemacht, auch in Deutschland verschwänden deutschsprachige türkische Redaktionen von der Bildfläche.
Redaktionen bilden heterogene Gesellschaft zu wenig ab
Der Chefredakteur des ZDF, Peter Frey, gestand zu, dass die Berichterstattung über die NSU „kein Ruhmesblatt für die deutschen Medien“ war. Erst als klar gewesen sei, dass rechtsradikale Motive Grund der Morde waren, habe die deutsche Presse dann aber viel in eine korrekte Arbeit investiert. Mittlerweile gebe es im ZDF gerade in den Informationssendungen einige Moderatoren mit Migrationshintergrund. Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hinter der Kamera immer noch viel zu wenig Mitarbeiter mit interkultureller Kompetenz zu finden seien. Insgesamt werde die Heterogenität der deutschen Gesellschaft aber auch im Blick auf Männer und Frauen, Ost- und Westdeutsche, Hetero- und Homosexuelle nur unzureichend abgebildet. Aufgrund des Sparzwanges bei den öffentlich-rechtlichen Sendern dürfe man auch nicht damit rechnen, dass sich daran in naher Zukunft etwas ändern könnte. Der „Interkulturelle Mediendialog“ sei deshalb auch medienpolitisch eine wichtige Institution, die dazu beitragen könnte, dass die „hochbrisante gesellschaftspolitische Auseinandersetzung im Angesicht der Flüchtlingskrise“ versachlicht wird.
Standards gegen Ausgrenzung
Auch in der Lokalberichterstattung der deutschen Regionalzeitungen machte Joachim Legatis, Bundesvorstand der Deutschen Journalisten-Union dju und Redakteur der Alsfelder Allgemeinen Zeitung, Defizite aus. Junge Migranten interessierten sich kaum für den Beruf des Lokaljournalisten. Dennoch komme gerade den Lokalzeitungen eine wichtige Aufgabe zu, könnten sie doch mit ihrer Berichterstattung Standards setzen gegen Rechtsextremismus und Ausgrenzung von Minderheiten.
Der Chef der hessischen Staatskanzlei, Axel Wintermeyer, hob in der Feierstunde hervor, der Anspruch des Interkulturellen Mediendialogs sei in der derzeitigen politischen Großwetterlage von allerhöchster Aktualität. Politik und Medien müssten gemeinsam für eine offene Gesellschaft streiten und die demokratische Meinungsbildung fördern. (dw)
Bildergalerie
Bildergalerie