Zwei widerstreitende Lebenswelten einander näher gebracht
FRANKFURT.- Zwei widerstreitende Lebenswelten einander näher zu bringen, die schwule und die katholische, das war das Ziel des Projektes schwul und katholisch (PSK), das vor genau 25 Jahren in der Frankfurter Stadtkirche seinen Anfang nahm. Die Initiatoren wollten nach vielen schmerzhaften Begegnungen und Ausgrenzungen endlich einen Gottesdienst feiern, in dem ihre Lebenswelt in Gebeten, Homilie, Predigtgespräch und Fürbitten vorkam, „wo eine Atmosphäre des Vertrauens und Glaubens entstehen konnte“. So formuliert es Gregor Schorberger, langjähriger Klinikseelsorger in Frankfurt und Pastoralreferent im Bistum Limburg, am Samstag, 2. April, beim Thementag „Wandlungsgeschichten“ im Haus am Dom.
Rund 60 Männer und Frauen sind hier zusammengekommen, um das Jubiläum ihres Projektes zu feiern. Die daraus entstandene christliche Gemeinschaft von und für Lesben, Schwule und ihre Freunde ist die erste katholische Gemeinschaft im deutschsprachigen Raum, die seit 25 Jahren ununterbrochen Gottesdienst feiert. Seit vielen Jahren trifft sich die Gruppe regelmäßig zum Gottesdienst in der katholischen Gemeinde Maria Hilf im Gallus. Sie ist geprägt von ökumenischer Gastfreundschaft und einer basiskirchlichen Orientierung auf der Grundlage des II. Vatikanischen Konzils. Sie ist stolz auf ihre „schwule befreiungstheologische Ausrichtung“, wie Schorberger in seinem Eingangsvortrag betont, und auf das rein ehrenamtliche Engagement der Gemeinschaft. Den Gottesdienst feiern Priester der Stadtkirche und des Bistums mit den homosexuellen Christen.
Keine Angst vor Diskriminierung
Schorberger berichtet auch von den vielen Anfeindungen, denen Schwule sich immer wieder ausgesetzt sehen: Die alten traditionellen Glaubensvermittlungen in Erziehung und Kirche hätten schwule Männer immer nur als Sünder abgestempelt. Keine Angst haben zu müssen vor Diskriminierung sei deshalb eine wichtige Triebfeder für die Gruppe gewesen.
Es war die „Erwartung, dass eine schwule Gemeinde dazu ermutigt, im schwulen Coming Out den Glauben nicht wegwerfen zu müssen“, sagt Schorberger. Eingedenk aller Anfeindungen gehöre Courage dazu, sich im Outing sichtbar zu machen. Aber einen anderen Weg gebe es für Lesben und Schwule nicht, wenn sie in den Kirchen genauso angesehen werden wollten wie ihre heterosexuellen Geschwister. Nur so könnten sie zur “menschlich-religiösen Identitätsfindung als schwule Katholiken“ kommen. Erst im PSK-Gottesdienst lernten viele Betroffene einen Gott kennen, „der ihr Schöpfer ist und sie in ihrem körperlichen, sexuellen, sozialen, seelischen und geistlichen So-Sein angenommen hat“, wie Schorberger betont.
Vertrauen wuchs über die Jahre
Auf das über viele Jahre gewachsene Vertrauen zwischen Stadtkirche und schwuler Gemeinschaft verweist Wolfgang Nuss als Sprecher des PSK. Vor allem der damalige Stadtdekan Klaus Greef habe die Gemeinschaft in den Anfangsjahren maßgeblich gefördert. Der derzeitige katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz zeigt sich in seinem Grußwort zuversichtlich, dass das Projekt schwul und katholisch auch in Zukunft einen wichtigen und wertvollen Beitrag zur katholischen Kirche in Frankfurt leiste. Auch er habe seine eigene kleine Wandlungsgeschichte erlebt, seit er mit der Gemeinschaft alljährlich einen Gottesdienst feiere und mit den Menschen ins Gespräch komme. Er bitte deshalb um Vergebung, dass er selbst und seine Brüder in Leitungsämtern oftmals ohne Verständnis und „oft ohne Erbarmen“ homosexuellen Menschen das Christsein und das So-Sein abgesprochen hätten. Trotzdem hätten sie sich die Menschen- und Christenrechte in der katholischen Kirche erkämpft, würdigt er das Projekt schwul und katholisch unter heftigem Beifall der Tagungsgäste.
Die Jubiläumsfeier unter dem Motto "Wandlungsgeschichten" umfasst neben dem Thementag im Haus am Dom auch die Jahrestagung der LSGG (LesBiSchwule Gottesdienst-Gemeinschaften) im Gemeindehaus Maria Hilf. Am Sonntag, 3. April, folgen eine Stadtführung zu „lesbischwulen Orten“ in Frankfurt und zum Abschluss der Festgottesdienst in Maria Hilf. (dw)