FRANKFURT, 29.06.2021
Gegen AfD-Stiftung - "Bildung", die ins Gegenteil verkehrt wird
Eine neue Allianz im Kampf gegen rechts: 13 Organisationen aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Zivilgesellschaft, unter anderem die Katholische Akademie Rabanus Maurus, haben sich zusammengeschlossen, um ein unmissverständliches Warnsignal gegen die mögliche Finanzierung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung zu senden. In einem „Manifest für die Zivilgesellschaft und die politische Bildung“ fordern sie die Politik auf, noch vor der Bundestagswahl im Herbst zu handeln. Das Manifest kann auf der Webseite www.stiftungstrick-der-afd.com heruntergeladen werden.
Die Stiftung wird nach der Bundestagswahl im Herbst aller Voraussicht nach staatliche Förderung in Höhe von mehreren zehn Millionen Euro erhalten. Damit kommt eine Stiftung in den Genuss staatlicher Gelder, welche die Werte des Grundgesetzes mit den Füßen tritt. Das Führungspersonal um Vorstandsvorsitzende Erika Steinbach betreibt Geschichtsrevisionismus und hetzt gegen Geflüchtete, Muslime, queere Menschen und andere Minderheiten.
„Sollte es der Erasmus-Stiftung durch Millionen aus Steuergeldern ermöglicht werden, zukünftig den akademischen und langfristig auch alle anderen gesellschaftlichen Bereiche mit ihrer rechts-braunen Ideologie zu unterwandern, dann sponsern wir als Gesellschaft den Demokratie-Abbau in unserem Land. Das können wir nicht ernsthaft wollen“, sagt Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. „Wir – die zivilgesellschaftlichen Organisationen – begegnen in unserer täglichen Arbeit den Folgen, die aus den menschenverachtenden Haltungen der Neuen Rechten erwachsen. Die Politik ist oft viel zu weit weg von der Gesellschaft, deshalb gehen wir jetzt auf die Politik zu.“
Begriff ins Gegenteil verkehrt
Prof. Joachim Valentin, Direktor der Katholischen Akademie und einer der Initiatoren der Aktion, mahnt: „Der Begriff der politischen ,Bildung‘ wird in sein Gegenteil verkehrt, da nicht Horizont-Erweiterung, sondern Horizont-Verengung das Ziel dieser Stiftung ist!“ Der Name der Stiftung erweckt dabei einen falschen Eindruck: „Desiderius Erasmus ist eine herausragende Figur des katholischen Humanismus, also der europäischen Aufklärung in der Renaissance. Im Dialog mit Martin Luther und anderen Geistesgrößen des 16. Jahrhunderts trat er ein für Vielsprachigkeit, Toleranz und umfassende Bildung“, betont Prof. Valentin. All das seien Ziele, für die die gleichnamige Stiftung gerade nicht stehe. „Im Gegenteil: Es handelt sich um ein rechtes Netzwerk, das aggressiv völkisches Gedankengut und Intoleranz verbreitet. Es soll als politische Stiftung der Partei fungieren, die in namhaften Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Hier sägt die Demokratie am Ast auf dem sie sitzt!“
Die Allianz, die sich nun für das Manifest zusammengefunden hat, repräsentiert ganz unterschiedliche Bereiche der vielfältigen Zivilgesellschaft in Deutschland – von Kirchen, Gewerkschaften, über Bildungsorganisationen, NGOs bis hin zu sozialen Bewegungen. Erstunterzeichnerinnen sind neben der Katholischen Akademie die Amadeu Antonio Stiftung, Bildungsstätte Anne Frank, Campact e.V., Deutscher Gewerkschaftsbund, Fridays for Future, Gesicht Zeigen, medico international, Paritätisches Bildungswerk Bundesverband e.V., Pro Asyl, Stiftung Topographie des Terrors, die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sowie der Zentralrat der Juden in Deutschland.
Apathische Haltung aufgeben!
„Wir haben einen Punkt erreicht, an dem es keinerlei Rechtfertigung mehr für die derzeitige Untätigkeit gibt. In unserem Manifest rufen wir die Fraktionen im Bundestag dazu auf, ihre apathische Haltung gegenüber Verfassungsfeinden wie der AfD-nahen Erasmus-Stiftung aufzugeben“, so Mendel weiter. „Unsere Botschaft ist unmissverständlich: Wir erwarten von der Bundespolitik, dass sie in den nächsten Monaten alles unternimmt, um ein Demokratiefördergesetz auf den Weg zu bringen und sicherzustellen, dass Verfassungsfeinde keine Steuergelder erhalten.“
Doron Kiesel, wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, bekräftigt: „Immer wieder wird von deutschen Politiker*innen die Lehre aus dem Untergang der Weimarer Republik beschworen: Die Feinde der Demokratie dürften nie wieder von den Freiheiten der Demokratie profitieren. Aber es bleibt bei einem Lippenbekenntnis, wenn sich die wehrhafte Demokratie nicht verteidigen will. Bei unseren europäischen Nachbarn können wir beobachten, wie schnell Demokratien kippen. Daher müssen wir in Deutschland die Politik und die Gesellschaft dafür sensibilisieren, wie grundlegend unser Gemeinwesen gefährdet ist, wenn wir Organisationen stärken, die auf der Grundlage ihrer nationalistisch-völkischen Ideologie über die Zugehörigkeit von Individuen oder Gruppen zu unserer Gesellschaft entscheiden wollen. Eine starke und selbstbewusste liberale und auf Rechtsstaatlichkeit beruhende Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass sie rechtzeitig erkennt, wie populistische Denk- und Argumentationsmuster den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Frage stellen. Dieser Anfechtung gilt es mit politischer Entschiedenheit und den bestehenden legalen Mitteln zu begegnen.“
„Diese Initiative ist ein Novum im Kampf der Zivilgesellschaft gegen den Rechtsruck und die Normalisierung von rechtem Gedankengut“, sagt Meron Mendel. Der Mord an Walter Lübcke, die Anschläge von Halle und Hanau zeigten: Rechte radikalisiert sich immer stärker. „Nicht nur Institutionen, auch einzelne Personen sind aufgefordert, ihren Unmut und ihre Sorge an die Politik zu vermitteln. Das gilt besonders im Jahr der Bundestagswahl“, führt Mendel weiter aus: „Wir rufen jeden und jede einzelne auf: Wendet Euch an die Abgeordneten Eures Wahlkreises, fordert sie dazu auf, aktiv etwas gegen die Erasmus-Stiftung zu tun. Sonst droht langfristig die rechts-braune Unterwanderung der Universitäten, des Bildungsbereich, der Medien, Justiz und aller gesellschaftlichen Institutionen.“
Terminhinweis: Live Online-Panel am Montag, 5. Juli um 18.30 Uhr: "Don't wait a single moment – Warum eine staatliche Förderung der Erasmus-Stiftung gefährlich ist". Podium mit Vertreter*innen der erstunterzeichnenden Organisationen. Zum Stream: https://youtu.be/-KHbXXv1Fqg