FRANKFURT, 08.04.2022

Der Mensch als sexuelles Wesen

Warum wird Sexualität im Christentum noch immer tabuisiert? Wie attraktiv ist eine Frau mit Glatze? Und würde sich Jesus, lebte er heute, auf Tinder eine Frau suchen? Im Haus am Dom dreht sich bis zur Sommerpause einiges um Körperlichkeit, Identität und all die Fragen, die sich drumherum stellen.

Sexualität, Identität und ihre Auswirkung Beziehungen – im Programm der Katholischen Akademie finden sich bis zur Sommerpause zahlreiche Veranstaltungen, die das komplexe Konstrukt „Geschlecht“ beleuchten. „Themen der geschlechtlichen Identität sind für den Menschen von jeher von großem persönlichen und gesellschaftlichen Interesse“, sagt Professor Joachim Valentin, Leiter des Hauses am Dom und Direktor der Katholischen Akademie Rabanus Maurus. Darüber hinaus habe auch die Beschäftigung des derzeit laufenden Kirchenreformprozesses Synodaler Weg dazu beigetragen, diesen Themen im ersten Halbjahr noch einmal zusätzlich Raum zu geben. Zum Hintergrund: In einem von insgesamt vier Foren beraten die Synodalen mit besonderem Blick auf die Kirche zu „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“.

Und so finden sich auch im Halbjahresprogramm der Katholischen Akademie, dessen Überthema in 1/22 „arm und reich“ lautet, zahlreiche Referenzen dazu. Am heutigen Freitag und morgigen Samstag, 8. und 9. April, beschäftigt sich die öffentliche Tagung „Körper, Eros, Identität – Sexualität und gelingende Beziehungen vom Rand her gesehen“ des katholischen Akademie-Leiterkreises mit den Fragen, warum die Sexualitätskultur des Christentums stark kontrolliert, tabuisiert und strafbewehrt geprägt ist und was sich ändern muss, damit der dringend nötige Neuanfang gelingen kann. Anmeldungen sind noch möglich, die Tagung wird außerdem digital auf Youtube (www.youtube.com/hausamdom) übertragen.

Gebrochene Schönheitsideale als Provokation

Um Schönheitsideale geht es in der derzeit laufenden Ausstellung „Glatze zeigen“ von Fotografin Rahel Welsen, die noch bis zum 29. Mai im Haus am Dom zu sehen ist. Flankiert wird sie von zwei Veranstaltungen: Im Vortrag „Phalanx der schönen Oberflächen“ spricht Autor und Politikwissenschaftler Dr. Paul-Hermann Gruner am 28. April um 19.30 Uhr über Massenmedien, Mentalität, Mythenproduktion und populäre Frauenzeitschriften. Im Vortrag „Die Glatze als Provokation“ von Dr. Alexandra Karentzos geht es am 25. Mai um 19 Uhr um die Frage, warum Glatzen bei Frauen als Geschlechterüberschreitung gesehen werden.

Am 14. Mai um 19.30 Uhr haben Autorinnen und Autoren dann ein „Blind Date“ mit Jesus bei der Lesung „Ich Jesus – Du Jane“. Sie fragen sich: Würde Jesus heute leben, wäre er dann auf Tinder, würde er sich in einer Bar verabreden, dort einen draufmachen mit Wein-Wasser-Wandlungstricks? Wäre Jesus ein Gender-Bender, politisch aktiv oder durch gemachte Erfahrungen geknickt und desillusioniert?

Die Geschlechterfrage im Islam

Und am 26. Mai, 19.30 Uhr, widmet sich der Vortrag „Der Islam und die Geschlechterfrage“ von Talha Taskınsoy, Islamwissenschaftler, Theologe und Pädagoge, theologischen, gesellschaftlichen, historischen und praktischen Aspekten einer Debatte, die nie an Aktualität verliert und verlieren darf. Welche Frauen- und Männerbilder im Islam gibt es? Gab es Prophetinnen? Wie sind im Koran die Geschlechterrollen definiert? Gab und gibt es weibliche Gelehrte? Wie kann, darf, soll muss unsere zwischenmenschliche Beziehung aussehen?

Auch im Tagungsbereich beschäftigen Fragen rund um die sexuelle Identität die Gäste des Hauses am Dom. So tagt die Arbeitsgemeinschaft der katholischen Neutestamentler:innen (AKN) auf Einladung des Bistums Limburg derzeit vier Tage lang zu „Geschlecht, Sexualität, Ehe. Sondierungen im Neuen Testament“. An einem nicht-öffentlichen Abend im Haus am Dom referiert Stephan Goertz über die Relevanz der Bibel für moraltheologische Debatten um Gender und Sexualität.

Andrea Hörner, Geschäftsführerin des Hauses am Dom, freut sich über die vielen interessanten Themen – und darüber, dass sowohl Tagungs- als auch Veranstaltungsbereich derzeit gut ausgelastet sind. „Als besonders inspirierend und belebend empfinde ich, dass nun wieder jede Menge ,Hintergrundmusik‘ zu hören ist“, sagt sie. „Stimmengewirr, reger Austausch in den Pausen, Klappern von Geschirr, Flüstern, Raunen, das Rascheln von Papier – das hat mir in den letzten zwei Jahren oft gefehlt, auch wenn wir dank unserer technischen Ausstattung und unseres Streamings ganz durch die bisherige Pandemie gekommen sind.“

Sie weist darauf hin, dass Corona dennoch leider nicht überwunden sei. „Daher haben wir in der Hausleitung beschlossen, von unserem Hausrecht Gebrauch zu machen, und bestehen nach wie vor auf das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Uns scheint dies ein probates Mittel, um unseren Gästen und Mitarbeitern einen gewissen Schutz zu bieten.“ Dabei muss es übrigens nicht zwingend die FFP2-Maske oder der medizinische Mund-Nasen-Schutz sein: „Wir sind auch einverstanden, wenn wieder die altbewährte Stoffmaske im Sinne der Nachhaltigkeit zum Einsatz kommt“, sagt Andrea Hörner.

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