FRANKFURT, 07.12.2022

Nach der Synode ist vor der Synode

Auf Einladung des Lateinamerika-Hilfswerks „Adveniat“ diskutierte der bolivianische Bischof Eugenio Coter im Haus am Dom mit namhaften Gesprächspartnerinnen und -partnern über Armut und Gesundheit sowie darüber, was Deutschland von den Erfahrungen der Amazonas-Synode 2019 für den eigenen Veränderungsprozess lernen kann. Mit Video.

In Bolivien ist der Priestermangel so ausgeprägt, dass dadurch ein regelrechter Mangel an Sakramenten entsteht. Das berichtete Eugenio Coter, Bischof des Vikariats Pando im bolivianischen Amazonasgebiet, bei der Adveniat-Podiumsdiskussion „Global Synodal – und die Kirche bewegt sich doch“ im Haus am Dom. Coter ist Partner der diesjährigen Weihnachtsaktion „Gesundsein Fördern“ des Lateinamerika-Hilfswerks der katholischen Kirche in Deutschland. Auf dem Podium diskutierte er mit Dr. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Synodalen Wegs, dem Mainzer Weihbischof Dr. Udo Bentz und Schwester Dr. Maria Goetzens, die die Elisabeth-Straßenambulanz des Caritasverbandes in Frankfurt leitet.

Das Podium war dabei bewusst breit besetzt, denn der bolivianische Bischof hatte gleich mehrere große Themen im Gepäck: Coter engagiert sich in seinem Land stark in der Gesundheitspastoral, also Gesundheitsversorgung der Armen. Auch vertritt er die bolivianische Kirche im Amazonas-Netzwerk Repam (Red EclesialPanAmazónica), das maßgeblich die Amazonas-Synode 2019 im Vatikan vorbereitet hat. Dort hat er sich mit der überwiegenden Mehrheit der Amazonas-Bischöfe für die Zulassung von sogenannten viri probati – verheirateten „bewährten Männern“ – zum Priesteramt und das Frauendiakonat eingesetzt.

Eine pragmatische Lösung

„Es gibt bei uns Gemeinden mit 500 Gemeindemitgliedern, die schon seit zehn Jahren keine Eucharistiefeier mehr bekommen haben“, so der Bischof im Haus am Dom. Eine pragmatische Lösung: Verheiratete Männer, die zu katholischen Priestern geweiht werden. „Der Papst sagte, man muss diese Fragen vermeiden und nicht beantworten. Aber das ist längst ein Amazonischer Ritus – und auch aus Österreich gab es solche Berichte“, so Coter. Es sei nichts Neues, dass verheiratete Priester im Amazonas Eucharistiefeiern abhielten, die Beichte abnähmen und Sakramente erteilten, aber keine eigene Gemeinde hätten. „In meinem Heimatbistum in Bergamo gab es 1850 einen Bischof, der Witwer und ledige Männer geweiht hat, die guten Glaubens waren, aber keine Theologie studiert hatten. Nach sechs Monaten Schnellstudium wurden sie zu Priestern. Sie predigten nicht, waren keine Katecheten und immer anderen Priestern unterstellt. Aber Sie sehen, wir sind sehr kreativ, das Problem zu lösen.“

Diese Darstellung führte Moderater Michael Schrom, Ressortleiter Kirchen und Religion bei Publik Forum, zu der provokanten Frage: „Müssten die deutschen Bischöfe etwas mutiger sein und Frauen und verheiratete Männer einfach weihen, wenn es die Situation erfordert?“

Nicht Pistole auf die Brust setzen

Weihbischof Bentz, der auch beim Ad-limina-Besuch in Rom dabei war und Mitglied des Synodalen Weges ist, hält das für keine gute Idee. „Es ist nicht synodal, zu sagen: Ich setze dir die Pistole auf die Brust – und wenn du jetzt nicht entscheidest, dann mache ich einfach. Nachhaltiger ist es, den Weg so zu gehen, dass wir weiter miteinander sprechen können und dranbleiben.“

Irme Stetter-Karp, die auch Präsidentin des „Zentralkomitees der deutschen Katholiken“ ist, sagte, sie empfinde bei einzelnen Bischöfen „eine starke Gebundenheit an den Treueid, der geleistet wurde – und das führt zum Entstehen einer Grenze dessen, was sich entwickeln kann.“ Das mache sie nachdenklich. Ohne eine gewisse Beweglichkeit müssten gewisse Lebensrealitäten per se weiter außen vorbleiben, alleine weil sie bisher als draußen definiert wurden.

Mit einem weißen Blatt begonnen

Bei dem Gespräch ging es vor allem auch um die Erfahrungen in der Amazonien-Synode, die vom 6. bis 27. Oktober 2019 in Rom tagte, und um die Frage, wie diese für den weltweiten synodalen Prozess von Bedeutung sein können. Man habe dabei mit einem weißen Blatt Papier begonnen, sagte Bischof Coter. Die Bischöfe hätten in ihren Diözesen gefragt, welche Themen für die Leute dort wichtig seien. Nach der arbeitsreichen Synode ernannten die Bischöfe ein postsynodales Team, um die Auswirkungen und vor allem die Umsetzungsfortschritte der Beschlüsse zu beobachten. Eine Folge war die Gründung einer kirchlichen Konferenz der Amazonas-Region mit über 100 Personen, die bei einer digitalen Konferenz die wichtigsten Themen besprach: Inkulturation, neue Ämter in der Kirche, die Rolle und das Diakonat der Frau sowie die Priesterausbildung. „Der Papst unterstützt diesen Prozess und hat gezeigt, dass er dahinter steht“, so Cotes. Aber: „Der Weg ist noch offen.“

Irme Stetter-Karp sagte, die Themen des Synodalen Weges seien keine spezifisch deutschen – und auch keine spezifisch westeuropäischen Themen: „In der ganzen Weltkirche ist Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt durch Kleriker ein Thema. Auf dem lateinamerikanischen Kontinent werden die Debatten teilweise von den gleichen Themen bestimmt. Ich erinnere, dass zahlreiche Bischöfe, vor allem in Chile, ihren Rücktritt angeboten haben angesichts von skandalösen Zahlen sexualisierter Gewalt.“

Mit dem Synodalen Rat habe man in Deutschland ein Instrument entworfen, dass synodale Strukturen auf Dauer setze – eine Parallele zu der Konferenz, die aus der Amazonas-Synode hervorgegangen sei. Jedes Land sei geprägt von seiner Weltanschauung, seiner Kultur, Riten, Traditionen, politischen Haltungen und Sozialgeschichte, und jedes Land müsse ein für sich passendes synodales Instrument finden – ein Patentrezept gebe es nicht. Gleichwohl könnten alle profitieren, meint Stetter-Karp: „Wir sind angewiesen auf die Lernerfahrungen auf allen Kontinenten, es braucht den Austausch, Sensorium des Verbindenden.“

Nicht allgemeingültig

Auch die deutschen Ideen sind nicht allgemeingültig, das zeigte ein Erlebnis von Weihbischof Udo Bentz, der von einem Gespräch mit einem Bischof im Libanon berichtete. Dieser habe ihm gesagt, dass die in Deutschland erarbeiteten Antworten für sein Land derzeit nicht ganz passend seien. Dennoch habe er mit den Worten geschlossen: „Ich bitte Sie: Bleiben Sie an diesen Fragen dran, denn es sind prophetische Fragen, zu denen jeder in der Kirche um Antworten ringen muss.“

Schwester Dr. Maria Goetzens von der Elisabeth-Straßenambulanz sagte, sie leide an ihrer Kirche, weil sie sich in solchen Grabenkriegen verhaken kann und es sich trotz vieler kreativer Ansätze so anfühle, als habe man sich verfahren. „Ich glaube, dass die Nöte und Themen nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Missbrauch ist ein wichtiges Thema und genauso, dass die Mehrheit der Obdachlosen krank ist, in Bolivien und hier bei uns.“ Ihr Rezept für gelingende Veränderung: „Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir uns weiter aufeinander zubewegen können, leidensfähiger werden, lernen auszuhalten, dass es manchmal Gesprächsabbrüche gibt. Dennoch finden sich immer Wege drumherum. Wir sind ja alle auf dem gleichen Boden.“

Coter, der ursprünglich aus Italien stammt und 1991 als Priester nach Bolivien ging, bevor er 2013 als Bischof ins bolivianische Amazonasgebiet berufen wurde, betonte, eine der großen Herausforderungen in seiner Region stellte die gesundheitliche Situation der Menschen dar. Im Apostolischen Vikariat hat Bischof Coter eine Gesundheitspastoral aufgebaut, die sich mit verschiedenen Programmen und Aktivitäten um die Verbesserung der Gesundheit der Menschen kümmert. Mit Unterstützung von Adveniat habe etwa ein Arzt-Boot angeschafft werden können für Gegenenden, in denen es keine Straßen gebe, sagte Coter. Es sei eine besonders wichtige und wertvolle Erfahrung, dass sich die Menschen durch die Gesundheitshilfe ernst und wichtig genommen fühlten: „Für die Gesundheit ist es auch die Qualität der menschlichen Wärme unschätzbar bedeutend.“

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