FRANKFURT, 24.10.2022

Open Books und die Möglichkeit, ganz einzutauchen

Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie konnten die Open Books wieder in gewohnter Form stattfinden. Im Haus am Dom war das Interesse an den 24 Lesungen "atemberaubend". Studienleiterin Dr. Lisa Straßberger zeigt sich zufrieden, nicht nur mit dem großen Zulauf, sondern auch mit den Themen, die gesetzt werden konnten.

24 Lesungen an vier Tagen, rund 2400 Besucherinnen und Besucher im Haus am Dom – Dr. Lisa Straßberger, Studienleiterin für Literatur an der Katholischen Akademie Rabanus Maurus zieht eine sehr positive Bilanz des Lesefestes Open Books zur Buchmesse. Im Haus am Dom wird traditionell das Sachbuchprogramm vorgestellt, es ist einer von neun Veranstaltungsorten der Open Books. „Im Giebelsaal allein waren zum Beispiel bei den Lesungen am Mittwoch von Jürgen Kaube und Mohamed Amjahid rund 100 Leute“, berichtet sie. „Es war atemberaubend, das Interesse der Menschen zu sehen.“ Bei den am Freitag um 18 Uhr parallel stattgefundenen Lesungen von Ulrike Hermann und Meron Mendel mit Saba-Nur Cheema und Sina Arnold hätten sogar Besucherinnen und Besucher weggeschickt werden müssen, weil nicht genug Platz war.

Eine Einladung, zu hinterfragen

Lisa Straßbergers persönliches Highlight war die Lesung von Mohamed Amjahid, der in seinem Buch „Let’s Talk About Sex, Habibi – Liebe und Begehren von Casablanca bis Kairo“ einen Blick in die Schlafzimmer Nordafrikas wirft und mit Klischees und rassistischen Stereotypen aufräumt. Auch wenn die Lesung leichtfüßig und witzig gewesen sei, war es für Straßberger doch eine Veranstaltung mit Nachhall. „Sein Hauptanliegen: Hört bitte auf, auf muslimische Frauen als Opfer zu schauen“, sagt die Literaturexpertin. „Er kritisiert die Vorstellung, dass muslimische Frauen in ihrem Bestreben nach Souveränität von westlichen Feminist:innen unterstützt werden müssten.“ Stattdessen nennt Amjahid viele Beispiele von eigenständigen, kraftvollen Frauen, die längst gegen ungerechte Strukturen aufstehen. Die Lesung hat Lisa Straßberger als Einladung erlebt, selbst drüber nachzudenken, „welche Rollen und Klischees wir in unserem westlichen Diskurs haben – und den eigenen Blick auf muslimische Frauen nochmal zu hinterfragen.“

Straßberger zeigt sich zufrieden, nicht nur mit dem großen Zulauf, sondern auch mit den Themen, die gesetzt werden konnten. „Es war eine gute Mischung aus wirtschaftlichen und politischen Themen, es ging um die Ukraine, um eine generelle Tendenz zum Autoritarismus, um Klimaschutz, aber zum Beispiel auch um Poesie in Europa. Auch wenn bei uns Sachbücher im Mittelpunkt stehen, gibt es doch immer einen Grenzbereich zu Literatur, eine spürbare Durchlässigkeit ins Literarische.“

Organisatorische Herausforderung

Das erste Open Books ohne Zugangsbeschränkungen seit Beginn der Corona-Pandemie war auch organisatorisch ein besonderes Erlebnis für das Team des Hauses am Dom. „Wir waren der einzige Veranstalter der Open Books, der weiter empfohlen hat, eine Maske zu tragen, weil die Lesungen so dicht besetzt waren“, berichtet Straßberger. Die Besucherinnen und Besucher wären diesem Rat vorwiegend gefolgt – und einige lobten die zusätzliche Sicherheitsvorkehrung auch.

Open Books ist das große städtische Lesefest, das seit 2009 jährlich zur Frankfurter Buchmesse läuft. Es wird veranstaltet vom Kulturamt der Stadt Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem Haus am Dom und acht weiteren Partnern sowie den deutschsprachigen Verlagen. Die dezentralen Lesungen, die neben dem Haus am Dom auch in der Deutschen Nationalbibliothek, der Evangelischen Akademie, dem Frankfurter Kunstverein, der Villa Metzler, dem Historischen Museum, den Römerhallen, der Katharinenkirche und der Volksbühne im Großen Hirschgraben stattfinden, sind eine besondere Ergänzung zum Buchmessenprogramm auf dem Messegelände. „Wer eine Veranstaltung der Open Books besucht, erlebt wesentlich konzentriertere Veranstaltungen als in dem großen Gewimmel in der großen Halle auf der Buchmesse“, findet Straßberger. „Auf der Messe selbst kann man überall nur ein bisschen was aufpicken, bei den Veranstaltungen von Open Books hingegen gibt es neben der Atmosphäre der Stadt auch richtige Diskussionen und die Möglichkeit, intensiv in die Welt von Büchern und Thesen einzutauchen. Für mich ist das fast ein Korrektiv zu dieser wilden bunten Welt, die auf der Buchmesse zu finden ist.“

Auch Prof. Joachim Valentin, Direktor des Hauses am Dom und der Katholischen Akademie, freut sich über das gelungene Lesefest. „Wir sind froh und stolz, in diesem Jahr wieder so vielen Menschen die Gelegenheit gegeben zu haben, die interessantesten Sachbücher dieses Herbstes und ihre Autor:innen kennenzulernen, natürlich samt interessanter Moderation“, sagt er. „Das passt genau zum Profil des Hauses am Dom. Wir hoffen, damit auch vielen einen ersten Kontakt zu unserem übrigen Programm ermöglicht zu haben.“

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